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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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eingesperrt.
    Nicht weit von dem Käfig hockte der Feuerkopf an einem Mast. Man hatte ihm Fesseln angelegt. Der Wind wehte seinen Duft zu ihr in den Käfig. Er roch nach Bitterkeit und Angst.

Kapitel 14
    Die vierte Stunde nach Mitternacht ging zu Ende. Am anderen Ufer pfiff ein Nachtfink im Schilf; eine sanfte Westbrise trug seinen Gesang hinüber zu den Hütten des Pfahldorfes. Der Himmel war ein glitzerndes Sternenmeer. Katanja richtete das Fernrohr auf den südöstlichen Horizont und spähte in das dichte Gefunkel. Der Rote zog bereits seine Bahn. Das herbstliche Sternbild, auf das sie wartete, seit das Laub sich färbte, war noch nicht aufgegangen.
    Neunzehn Monde war es her, dass der Hauptmann sie dem Sklavenhändler abgekauft hatte. Wie der Gnom es angekündigt hatte, so war es geschehen. Seit Ende des Sommers nun, seit einem Mond etwa, hielt sie Nacht für Nacht Ausschau nach dem »Tor des Winters«. Schon nachmittags fieberte sie dem Sonnenuntergang entgegen. Es kam nicht oft vor, dass der Rote durch das »Tor des Winters« wanderte. Katanja hoffte, sie würde nicht bis zum nächsten Winter auf diese Sternenstellung am Nachthimmel warten müssen.
    Unter den Planken murmelte der Strom. Bis auf die Wächter schlief die Pfahldorfsiedlung. Über dem Flusswald am anderen Ufer stand der Vollmond. Höher noch als die Baumriesen ragten Turmruinen in den von seinem milchigen Licht getränkten Himmel. Reste einer uralten Stadt zerfielen dort im wuchernden Wald. Die Luft war noch mild, von Westen zogen schon erste Wölkchen auf.
    Fast einundzwanzig Winter alt war Katanja in jener Nacht, eine schöne Frau von schlanker Gestalt, mit sehnigen Gliedern und hellwachen grauen Augen. Silbrige Fäden durchzogen ihre prächtigen schwarzen Locken seit der dunklen Zeit im Sklavenkeller. Eine Frau, die sich nach ihrer Heimat sehnte, nach Altbergen, und eine Frau zugleich, die bereit war, bis ans Ende der bekannten Welt zu gehen, um ihren Auftrag zu erfüllen. Wie meist hockte sie auf den Fersen, während sie durch ihr Fernrohr spähte. Kein besonders gutes Fern-rohr, doch gut genug, um das Zeichen zu suchen, das der Gnom ihr angekündigt hatte.
    Im Sommer hatte der Hauptmann ihr das Gerät von einem Jagdzug im Süden mitgebracht. Er fand es unter einer Schutthalde in einer Eisenkiste. Auch die Truhe mit ihren Habseligkeiten hatte er während des Sommerjagdzuges aus der Ruine am Fluss geborgen und ins Pfahldorf gebracht. Sorgfältig hatte sie ihm vor der Abreise die Stelle aufgezeichnet, an der die Wasserschlange Weronius gebissen hatte und sie den Hang hinauf in die Berge geflohen waren. Als er dann die Truhe von seinem Boot auf den Steg hieven ließ, war sie ihm vor Freude um den Hals gefallen.
    Unter dem Geländer der Brüstung hing eine Öllampe. In deren Licht las und schrieb Katanja. Sie war der einzige Mensch weit und breit an den Ufern des Stromes, der schreiben konnte. Die Fischer und Jäger hier behandelten sie inzwischen mit Respekt. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass jetzt eine schreibkundige Heilerin in der Pfahlbausiedlung lebte. Sogar aus den großen Ruinendschungeln im Nordosten, wo Tiefländer jagten und Mutanten hausten, kamen sie zu ihr, um Hilfe zu suchen. Manche nannten sie Schamanin, andere Heilerin. Ein Halbwüchsiger aus den Sumpfgebieten des Ostens, den sein Vater zu ihr geschickt hatte, damit sie ihn Schreiben und Lesen lehrte, hatte sie sogar Meisterin genannt. Die Erinnerung daran erfüllte sie mit Stolz.
    Einer der Wächter beugte sich draußen über die Brüstung des Hauptsteges und beobachtete sie. Einen beauftragte der Hauptmann immer mit ihrer Bewachung, wenn er das Pfahldorf verließ. Natürlich spielte Katanja mit dem Gedanken, einfach ein Kanu zu stehlen und stromabwärts zu paddeln, immer und von Anfang an; höchstens drei Tage brauchte man in einem guten Boot bis zur Tausendinselsee. Aber was dann? Sollte sie mit einem Kanu in den Nordsund und nach Hagobaven paddeln? Unmöglich. Also hatte sie sich entschlossen, auf den Geleitschutz zu warten, den der Gnom angekündigt hatte.
    Bald neigte sich auch die fünfte Stunde nach Mitternacht. Hinter den Ruinentürmen am anderen Ufer berührte der Vollmond die Baumwipfel. Katanja spähte wieder durch ihr Fernrohr. Wie ein von hellem Licht angestrahlter Blutstropfen stand der Rote im Zenit des Nachthimmels. Noch eine Stunde höchstens, dann würde im Osten das Tor des Winters aufgehen. Und dann .?
    Sie öffnete eines ihrer drei Bücher, ihr

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