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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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schwül gewesen, er fühlte sich müde und erschöpft. Die Rückreise hatte länger gedauert als gedacht, vielleicht wegen der Hitze, die seinem Pferd am Ende doch sehr zugesetzt hatte. Einmal hatte es gelahmt, weil es sich einen Stein in den Huf getreten hatte, dann wieder musste er es zum Tränken führen. Drei- oder viermal war er von aufdringlichen Bettlern aufgehalten worden, von abgerissenen, zerlumpten Gestalten, die, wie ihm schien, täglich zahlreicher wurden, selbst in den Gassen einer so wohlhabenden Stadt wie Ravensburg.
    Auch fahrendem Volk war er hin und wieder begegnet, und jedes Mal war es ihm wie ein Dolchstoß in den Magen gefahren. Leonhard Sonntags Compagnie hatte er nicht getroffen. Stattdessen zogen kleine Trupps Gaukler oder Hausierer die staubigen Straßen entlang, armselige Haufen mit schäbigen Karren, die nichts gemein hatten mit dem Stolz und dem Glanz der Sonntag’schen Truppe. Natürlich hätte er bei ihnen Erkundigungen einholen können, denn die Landfahrer wussten meist verblüffend gut Bescheid,wo sich welche Gaukler und Spielleute gerade aufhielten – doch er zwang sich, nicht über Marthe-Maries Schicksal nachzudenken.
    Als er jetzt seinen Wallach in den Mietstall am Donauufer führte, befielen ihn schlagartig rasende Kopfschmerzen. Er musste schleunigst zu Bett und sich erholen. Aber zuvor wollte er noch bei Conrad vorbei, um ihm von dem Ergebnis seiner Reise zu berichten.
    Auf kürzestem Weg eilte er Richtung Metzgerturm, der schiefer denn je in den Abendhimmel ragte. Die Beine wurden ihm schwer wie Blei, und er spürte kalten Schweiß auf seine Stirn treten. Still lag das Haus seines Freundes in der einbrechenden Dunkelheit, nichts rührte sich, als er mit dem eisernen Ring im Maul des Löwen gegen das Tor klopfte. Vom Marktplatz her drang Stimmengewirr, lautes Lachen und Rufen, dazwischen Schalmeien- und Flötentöne wie von Musikanten, von Gauklern oder Komödianten. Ihm schwindelte heftiger. Wie eine Bleidecke hing der Himmel über der Stadt. Ein kühler Most würde ihm sicher gut tun.
    Er bog in eine Seitenstraße ein, die zum Fischerviertel führte, in der stillen Hoffnung, Conrad in einer der Schenken zu finden. Als er das Schiefe Haus erreichte, das sich wie ein Betrunkener über die Blau beugte, tauchte ein mächtiger Blitz die Dächer in grelles Licht; gleich darauf ließ ihn ein ohrenbetäubender Donnerschlag zusammenzucken. Im nächsten Moment schon brach der Himmel auseinander und ergoss seine Fluten über die düsteren Gassen. Nass bis auf die Haut betrat Jonas die Fischerstube, in der er manchen Abend mit Conrad verbracht hatte. Der Schankraum war brechend voll, und noch immer strömten Gäste herein, die vor dem Unwetter draußen Schutz suchten. Nein, Kilgus sei nicht hier, gab der Wirt Auskunft. Er solle es doch drüben im «Blauen Hecht» versuchen.
    Jonas zitterte am ganzen Körper, als er hinaus in den strömenden Regen trat und sich im Schutz der Dachtraufen an den Häuserwändenentlangdrückte. Da entdeckte er vor dem Zunfthaus der Schiffsleute eine Gestalt. Für einen Sekundenbruchteil nur, im grellen Licht eines Blitzes, sah er das Gesicht, dann war Diego verschwunden. Jonas wollte ihn rufen, doch seiner Kehle entrang sich nur ein Krächzen. Er lief los, mitten durch die tiefen Pfützen und Rinnsale, die sich auf dem Buckelpflaster gebildet hatten, durch die ewig verwinkelten Gassen und Durchgänge dieses Viertels an der Blaumündung, über zahllose Brücken und Stege, bis er selbst nicht mehr wusste, wo er sich befand. Eine eiserne Klammer legte sich um seine Brust, und er blieb stehen, um Luft zu holen. Der Regen troff ihm von der Hutkrempe, in seinen Schuhen stand das Wasser. «Diego», rief er nochmal, und dann, eher fragend und mit tonloser Stimme: «Marthe-Marie?»
    Doch außer ihm war keine Menschenseele mehr unterwegs. Um ihn herum eine Wand aus Wasser, eine nasse, brüllende Schwärze, die nur hin und wieder von zuckenden Blitzen zerrissen wurde. Er musste nach Hause, ins Trockene, diese zentnerschweren Schuhe und Kleider loswerden. Schwankend machte er sich auf den Weg, musste immer wieder innehalten, sich an eine Hauswand lehnen. Suchte sich, um nicht völlig die Orientierung zu verlieren, einen Weg entlang der Stadtmauer und konnte es selbst kaum glauben, als er endlich vor Kargerers Anwesen stand. Im oberen Stock sah er den warmen Schein einer Lampe. Nie zuvor hatte das Haus seines ehemaligen Dienstherrn etwas so Tröstliches

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