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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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wohnt Meister Hämmerlin, der für die fürstenbergischen Lande seine blutigen Dienste verrichtet. Meidet also den Schatten des Hauses.» Sie bekreuzigte sich flüchtig, dann grinste sie. «Ich hätte übrigens Henkerstricke zu verkaufen, nur zwei Pfennige die Faser. Ihr wisst ja, eine davon im Beutel, und das Geld geht Euch niemals aus. Und schützt obendrein vor Ungeziefer.»
    «Wenn das so ist», sagte Marusch lachend, «dann gebt schnell zwei Fasern her.»
    Sie tauschten Ware und Geld, dann verabschiedete sich die Frau mit einem freundlichen «So behüte euch Gott».
    «Desgleichen», gab Marusch zurück. Und leiser zu Marthe-Marie, die erschreckt auf das Anwesen vor ihnen starrte: «Was braucht ein Henker in dieser ärmlichen Stadt so ein prachtvolles Haus. Pfui!»
    Sie stieß in ihr Horn und brachte den Tross zum Stehen. «Diese Nachricht wird Leo nicht gefallen. Morgen ist Pfingsten, und nach Flurumzug und Gottesdienst finden überall hier in der Gegendgroße Feste statt, mit Tanz, Wettlauf und Pfingstochsen. Wenn wenigstens unsere Musikanten aufspielen dürften.»
    Sie sprang vom Wagen, um sich mit Sonntag zu besprechen, der wieder, wie es dem Rang eines Prinzipals gebührte, an der Spitze des Zuges fuhr. Kurz darauf kehrte sie zurück.
    «Diego wird trotzdem in die Stadt reiten und um Spielerlaubnis bitten. Er lässt fragen, ob du ihn begleiten willst.»
    «Nein.»
    «Gut. Dann lass uns in der Nähe einen Lagerplatz suchen, die Sonne steht schon tief.»
    Am Pfingstmorgen machten sie sich auf den Weg zur Pfarrkirche, die sich, wie es im Kinzigtal üblich war, etwas abseits der Stadt befand und für Dorf- und Stadtbewohner gleichermaßen offen stand. Da Diego, ganz wie es die Lumpenfrau prophezeit hatte, keine Lizenz hatte erwirken können, trieb nichts sie zur Eile. Der Tag stand ihnen für Müßiggang und Ablenkung offen.
    Die Kirche war sehr alt und wirkte, wie alle Bauten hier, wenig gepflegt. Das Relief der Kreuzigungsgruppe über der kleinen Eingangstür war an vielen Stellen abgeschlagen, der Putz bröckelte in dicken Placken von den Mauern. Doch der Vorplatz war mit bunten Blumen und Maienzweigen liebevoll geschmückt, und die Bürger hatten sich festlich herausgeputzt.
    «Sieh mal», sagte Marthe-Marie zu Diego, der neben ihr stand. «Diese riesigen perlenverzierten Kugeln, die die Frauen hier auf dem Kopf tragen. Wunderschön, wie wertvolle Kronen.»
    «Und sieh mal, die vielen Bettler auf dem Kirchhof», gab er ungerührt zurück. «Nicht einen Kreuzer haben sie in ihren Bechern. Wenn ich die Blicke dieser ehrwürdigen Kirchgänger sehe, wundert mich nicht, dass man uns den Einlass in die Stadt verwehrt. Am liebsten würden sie uns wohl auch den Zutritt zur Kirche versperren.»
    Sie musste ihm Recht geben. Die Menschen um sie herum starrtenargwöhnisch herüber, einige begannen zu tuscheln. Sie war froh, als die Kirchenglocke zum Gottesdienst rief.
    Das Gestühl vor dem Altar war bis auf den letzten Platz besetzt, dahinter herrschte dichtes Gedränge. Sonntag und seine Leute stellten sich nach hinten unter die Empore. Marthe-Marie versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal das Fest des Heiligen Geistes in einer Kirche gefeiert hatte, denn was nun folgte, erschien ihr höchst fremdartig. Aus dem Deckengewölbe fielen plötzlich glimmendes Werg und glühender Flachs herab, Kinder weinten, einige Frauen kreischten auf, als die Glut auf ihre Kleider schwebte, doch im nächsten Moment schon wurde von der Kanzel herab Wasser versprüht, was das Geschrei nur noch lauter machte.
    «Der Heilige Geist komme über uns», murmelte Diego spöttisch und zertrat ein qualmendes Strohbüschel. «Offenbar sind wir hier nicht die einzigen Gaukler.» Da hob mit donnernder Stimme der Pfarrer zu predigen an, während von der Decke eine hölzerne Taube herabschwebte. Aus dem Augenwinkel nahm Marthe-Marie wahr, wie sich zwei zerlumpte Bettler hereinschlichen und die Kirchgänger um Almosen baten. Der Mann humpelte auf einem Holzbein durch die Menschenmenge, die Frau schob ihren dicken Bauch als sichtbares Zeichen ihrer baldigen Niederkunft vor sich her. Nur wenige Augenblicke später stellte sich ihnen der Kirchendiener in den Weg und versuchte, sie gewaltsam aus dem Gotteshaus zu drängen. Als sich die Frau wehrte, schlug er ihr mehrmals hart gegen die Schulter, dann geschah das Ungeheuerliche: Die Frau schlug mit geballter Faust zurück. Es kam zu einem Tumult, an dem sich etliche Kirchgänger beteiligten. Die

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