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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Diego strahlte über das ganze Gesicht. Er war bereits umgezogen für seinen Auftritt als heimlicher Liebhaber. «Rechenmeisterin, ich liebe dich!»
    Sonntag hatte die ganze Zeit über keine Regung gezeigt. Jetzt murmelte er: «Na denn, meinetwegen behalten wir euren Auftritt im Programm.»
    Diego drückte ihr einen Kuss auf die Wange. «Siehst du, selbst unser Prinzipal kann sich vor Begeisterung kaum halten. Wie der Schwabe sagt: Net g’schimpft isch gelobt genug.»
    Marusch nahm sie beim Arm.
    «Komm, zieh dich schnell um, und dann gehen wir zurück ins Lager. Der Rest der Vorstellung wird auch ohne uns über die Bühne gehen.»
    Als sie die Wiese am Mühlenbach erreichten, hatten Mettel und Antonia bereits die Feuerstellen für den Abend vorbereitet.
    «Na, Frau Doctor, habt Ihr fleißig gerechnet?»
    «Ach Mettel, mir brummt der Kopf. Wie angenehm war da doch die Arbeit mit dir.»
    «Wem sagst du das? Ohne deine Hilfe muss ich mich wieder plagen wie ein Häftling im Raspelhaus.»
    «Dann trink erst mal einen Krug Bier mit uns.»
    Die Frauen genossen die Ruhe im Lager, denn auch die Kinder waren in der Stadt. Marthe-Marie spürte, wie nach und nach alle Anspannung von ihr abfiel.
    Marusch schenkte ihr ein. «Der Einfall mit der Schweinehaut war fabelhaft. Niemals hättest du sonst so schnell dein Altmännergesicht in das einer Frau verwandeln können. Und deine Stimme klingt darunter ganz fremdartig.»
    «Aber das Gefühl, diese Schweinehaut auf dem eigenen Gesicht kleben zu haben, ist wirklich widerlich. Und es stinkt wie beim Abdecker.» Zwischenzeitlich hatte sie den Einfall sehr bereut, Bart und Augenbrauen auf eine gebleichte Schweinehaut zu kleben, die sie wie eine Maske über das Gesicht spannen und blitzschnell herunterreißen konnte.
    «Wenn ich nur daran denke, dass ich dieses ekelhafte Ding jetzt zehn Tage lang jeden Nachmittag aufsetzen muss.»
    «Denk lieber an die vielen Münzen, die uns in den Beutel fallen. Haslach ist eine reiche Stadt, hier holen sie das Silber in Mengen aus den Bergen. Und glaub nur nicht, dass du danach wieder Mettel zur Hand gehen darfst. Diese Zeiten sind vorbei.»
     
    «Ich hoffe, du wirst es nicht halten wie unser Maestro Ballini und uns bei der erstbesten Gelegenheit verlassen.» Marusch sah ihre Freundin aufmerksam an.
    «Wohin soll ich schon gehen?», antwortete Marthe-Maria und grinste schief.
    Sie fuhr wieder bei Marusch mit, denn nun, wo ihr der Auftritt als Rechenmeister mit jedem Male überzeugender gelang, sah sie keinen Anlass mehr, weiterhin tagsüber neben Diego auf dem Kutschbock zu sitzen. Er hatte darüber nur die Achseln gezuckt, und einmal mehr hatte sich Marthe-Marie gefragt, was an seinen Aufmerksamkeiten ihr gegenüber überhaupt ernst gemeint war.
    «Das ist nicht die Antwort auf meine Frage.» Marusch spielte an ihrem goldenen Ohrring. «Gehörst du nun zu uns, oder bist du immer noch auf der Suche nach einer Familie, nach deinem Vater vielleicht?»
    «Ich habe keine andere Familie als euch. Es ist fast so, als würde ich seit Jahr und Tag mit euch von einem Ort zum anderen ziehen. Und was meinen Vater betrifft: Das wäre die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die einzige Spur, die es gab, hat sich im Nichts verloren.» Marthe-Marie schloss die Augen und hielt ihr Gesicht in die Sonne. «Eigentlich führt ihr Spielleute, und wenn ihr zehnmal zu den Unehrlichen gehört, ein gutes Leben. Ihr haltet zusammen, müsst nicht am Hungertuch nagen und seid frei. Ihr lebt besser als die Tagelöhner in den Städten. Ich hatte mir dieses Leben härter vorgestellt.»
    «Es ist ein Auf und Ab. Und vergiss nicht: Wir sind nicht frei, sondern vogelfrei. Nicht anders als die Zigeuner. Wir haben keine Rechte, und wenn irgendwo ein Sack gebraucht wird, auf den man dreschen kann, dann wird uns diese Ehre zuteil. Seitdem du bei uns bist, haben wir viel Glück gehabt und gutes Geld eingenommen. Aber falls du dich entscheiden solltest, bei uns zu bleiben, wirst du auch schlimme Zeiten erleben. Allein der Winter. Ich würde es dir niemals übel nehmen, wenn du uns im Winter wieder verlässt.»
    «Warum sollte ich das tun?»
    «Du wirst frieren und hungern, Husten und Fieber werden dich quälen, du wirst tagelang in der Enge des Wagens hocken müssen, weil es nicht aufhört zu regnen oder zu stürmen.»
    Marthe-Marie lachte. «Wie kannst du an so einem Tag an den Winter denken! Sieh dir doch die Schwalben an, da oben im blauen Himmel. Oder die Wiesen: Blumen und

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