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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Tunichtgut, aber es ist mir ernst, und ich möchte, dass du mir das glaubst.»
    Dann stand er auf und ging zu seinem Wagen.
    Am nächsten Morgen war Apollonia verschwunden, und mit ihr ein prall gefüllter Münzbeutel aus Maruschs Kiste.
     
    Die Tage wurden spürbar wärmer und die Abende länger. In Wolfach hatte die Truppe ein einträgliches Geschäft gemacht: Sieben Tage hintereinander hatten sie auf dem Vorplatz des mächtigen fürstenbergischen Schlosses gespielt, sieben Tage lang waren Hunderte von neugierigen und begeisterten Zuschauern zusammengeströmt, um die Attraktionen der Gaukler zu sehen, allen voran den Auftritt des Rechenmeisters, die Künste des Feuerschluckers und Pantaleons Kamel Schirokko. Und vor allem: Die Wolfacher gaben großzügig ihre Pfennige und Schillinge aus der Hand.
    Woher der Reichtum dieser Stadt rührte, hatten sie täglich vor Augen: Ein Floß nach dem anderen, zusammengebunden aus gewaltigen Tannenstämmen, trieb die Kinzig in Richtung Rhein hinunter. Kräftige Männer manövrierten die Hölzer nur mit Stangenund unglaublichem Geschick durch Felsengen und Windungen, durch Geröllbarrieren und Stromschnellen. Von den Holzhauern, selbstbewussten, rauen Burschen, erfuhren sie, dass die Flöße nach Holland gingen – «Nicht nur die holländische Flotte, ganz Amsterdam ist aus unserem Schwarzwälder Holz gebaut.»   –, dass unten am Rhein riesige Verbände zusammenkamen und mit Schindeln und Brettern, Holzkohle und Erz und mit den Waren der rheinischen Händler beladen wurden. Sie sahen, wie Narben an den Bergflanken, die tiefen Rinnen im Wald, in denen das Langholz talwärts zur Kinzig geriest wurde, wo die Floßknechte sie in den Einbindestuben zu Gestören banden.
    Doch nicht nur für den Holzhandel wusste man in Wolfach den Überfluss an Wald und Wasser Gewinn bringend zu nutzen. Sie kamen an Ansiedlungen mit zahllosen Hütten, Lagerhäusern und rauchenden Öfen vorbei, wo Pechsieder und Teerschweler, Aschenbrenner und Schürknechte ihre schweißtreibende Arbeit verrichteten und die Glasbläser aus glühend-flüssiger Masse ihre Kugeln und Zylinder bliesen. Auf den kleineren Lichtungen waren qualmende Meiler aufgesetzt, in denen Buchenholz zu der begehrten Holzkohle verschwelte, um anschließend auf Maultieren oder in Buckelkraxen zu den Schmelzöfen der Glasbläser und Eisenhütten gebracht zu werden. Je weiter sie flussaufwärts kamen, desto häufiger trafen sie auf verwüstete Brachflächen mit niedergebrannten Meilern und zerstörten Hütten, in deren Umkreis weit und breit kein Baum, kein Strauch mehr wurzelte. Hier hatten die Menschen so gründlich ihre hässlichen Spuren hinterlassen, dass ihnen nichts übrig blieb, als weiterzuziehen, um an anderer Stelle von der Natur ihren Tribut zu fordern. Und als ob das nicht Raubbaus genug sei, entdeckten sie am Wegesrand immer wieder Fichten und Kiefern mit klaffenden Wunden: Am Stamm waren handbreite Kerben herausgeschlagen, an deren unterem Ende kleine Tonhäfen hingen, um das herausquellende Harz aufzufangen,diesen begehrten Rohstoff für die Pechhütten. Andere Bäume waren bereits vollkommen abgeschält: Löchrig, schwarz und zerfressen wie ein fauliger Zahn der Stamm, kahl das Geäst, wartete dieses tote Holz nur noch auf den nächsten Sturm, um zu Boden geschmettert zu werden.
    In der württembergischen Grenzstadt Schiltach, die wie Wolfach von Flößerei und Holzhandel geprägt war, baten Leonhard Sonntag und Diego vergebens um eine Konzession. Vielleicht lag es daran, dass den Schiltachern der Sinn nicht nach Possen und Klamauk stand, war doch ihre zwischen Bergflanke und Kinzig eingezwängte Stadt in den letzten Jahrzehnten gleich dreimal abgebrannt und unter unendlichen Mühen und Kosten wieder aufgebaut worden, wie ihnen ein redseliger Holzknecht erzählte. Für einen der Brände habe man die Schuldige ausfindig machen können: eine Dienstmagd, die mit dem Teufel im Bunde stand und vom Dach des Salmenwirts einen Topf Flammen über die Stadt gegossen habe. Nachdem sie ihre Verbrechen endlich gestanden habe, sei sie zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt worden.
    Angesichts dieser Geschichte war Marthe-Marie froh, in Schiltach nicht auftreten zu müssen. Diego hingegen schien enttäuscht. Hatte ihn doch das viergeteilte Hauswappen der Württemberger, das am Zollhaus prangte, einmal mehr zu begeisterten Vorträgen über Herzog Friedrich hingerissen, den seiner Ansicht nach einzigen Herrscher von Verstand und

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