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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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den Maulesel», schlug Marusch vor.
    «Ich fürchte, der Wagen ist viel zu schwer für das ausgemergelte Vieh.»
    «Versuchen wir es.»
    Marthe-Marie hatte schon die ganze Zeit den Eindruck, dass unter den Männern die Anspannung wuchs. Bislang hatte sie die Spielleute, von kleinen Zwistigkeiten abgesehen, als eingeschworene Truppe erlebt. Doch was nun folgte, warf ihren Eindruck völlig über den Haufen.
    Sie hörte hinter sich ein Rumpeln, dann sah sie, wie Quirin mit eingespanntem Maulesel wendete.
    «Was machst du da?», schrie Sonntag. Er rannte los und fiel dem Maulesel in die Zügel.
    «Aus dem Weg! Ich bin nicht euer Sklave.» Quirin gab dem Tier die Peitsche.
    Wutentbrannt zerrte Diego ihn vom Karren, und unter den Männern brach eine wüste Prügelei los. Quirin schlug mit Fäusten und Füßen um sich, traf den einen am Kinn, den andern im Unterleib, was die Wut der anderen so sehr steigerte, dass sie ihn schließlich halb bewusstlos schlugen. Blut lief ihm aus Mund und Nase, eine Augenbraue war aufgeplatzt. Marthe-Marie war entsetzt.
    «Hört auf jetzt», befahl Sonntag. Seine Stimme war hart, sein Blick kalt. «Fesselt ihn an den Baumstamm.»
    Hasserfüllt beobachtete Quirin, wie sein Maulesel ausgespannt und vor den Wohnwagen geführt wurde. Kurz darauf machten sie sich auf den Weg: Mettel saß drinnen bei Maximus, Sonntag führte das Tier, das auf dem schweren Grund nur mit Mühe vorwärts kam, und Severin, Valentin, Caspar und die Kinder marschierten nebenher.
    Die anderen blieben beim Tross oder bei dem, was davon übrig geblieben war. Marthe-Marie warf einen verstohlenen Blick auf Diego. Mit einem Kurzschwert in der Hand, der einzigen Waffe, dienoch auffindbar gewesen war, lehnte er müde an seinem Wagen. Sie machte sich daran, entlang des Weges Schutt und Scherben aufzuräumen, dann brachte sie Quirin einen Becher mit Wasser.
    «Verschwinde, Bürgersmetze. Hau ab zu deinesgleichen.» Er wandte den Kopf zur Seite.
    In diesem Moment hörte sie Marusch und Diego erregt miteinander disputieren. Sie wollte nicht lauschen, konnte indes nicht verhindern, dass einige Sätze klar und deutlich an ihr Ohr drangen.
    «Wenn ich es doch sage – der Überfall hatte nichts mit mir zu tun.»
    «Hör doch auf, Diego – es wäre nicht das erste Mal – deine Kumpane damals – frage mich wirklich, wie du es schaffst, dir immer wieder Ärger aufzuhalsen.»
    «Himmel – ich hätte sie doch an der Stimme erkannt. Das waren Fremde.»
    «Hättest du? In diesem ganzen Tumult?»
    «Ach, glaub doch, was du willst.»
    Dann hörte sie ihn mit energischen Schritten davonstiefeln.
    Drei Stunden später kehrten die Männer in Begleitung eines Bauern zurück. Sie brachten einen kräftigen Schwarzwälder Fuchs und ein Gespann Ochsen mit, das ein Wagenrad hinter sich herschleifte. Sonntag führte Quirins Maulesel am Strick und band ihn an dessen Karren.
    «Hier hast du dein Vieh zurück.» Er löste Quirins Fesseln. «Jetzt kannst du gehen, wohin du willst.»
    Bei Einbruch der Dämmerung ging der Albtraum dieses Tages endlich zu Ende. In zwei Etappen hatten sie ihre Wagen zu einem Einödhof geschleppt, der an einem Hang am Ausgang des Waldes lag. Der Bauer, der kein Wort zuviel mit ihnen wechselte, hatte ihnen ein Stück Wiese hinter seinem Schafsstall überlassen. Dafür hatte Sonntag ihm das gesamte Geld übergeben müssen.
    Bedrückt richteten Marthe-Marie und Marusch mit dem wenigen, das ihnen geblieben war, ein Nachtlager im Wohnwagen und auf dem Fuhrwerk des Prinzipals her.
    «Mir wäre es lieber gewesen, Quirin wäre auf immer und ewig verschwunden», sagte Marthe-Marie. Der Feuerkünstler hatte sich am Nachmittag stumm und mit gesenktem Kopf wieder in den Tross eingereiht, und niemand hatte etwas dagegen eingewendet.
    Marusch zuckte die Schultern. «Was willst du machen. Er gehört zu uns.»
    «Warum gibst du eigentlich Diego die Schuld am Überfall?»
    «Dann hast du uns gehört? Es war nur so ein Einfall. Inzwischen denke ich, dass die Wegelagerer hier aus der Gegend stammen, denn sie müssen von unseren hohen Einnahmen gewusst haben.»
    «Aber ihr seid schon mal überfallen worden wegen Diego, nicht wahr?»
    «Ja, im letzten Winter. Es war in der Nähe des Klosters Maulbronn. Damals hatten es die Halunken tatsächlich nur auf Diego abgesehen.»
    «Stammt daher die Narbe an seinem Rücken?»
    «Ja.»
    Mettel rief zum Abendessen. Sie hatte der Bäuerin ein wenig Wurzelgemüse und Kohl abgeschwatzt und damit eine dünne

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