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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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hinauf, ihnen die glückliche Botschaft überbringen, dass wir spätestens nächste Woche wieder unterwegs sein werden. Ist es nicht ein Wunder? Wir werden wieder frei sein.»
    Er warf so heftig seine Arme in die Luft, dass die Stute scheute.
    «Nein, ich bleibe hier. Agnes ist erkältet, ich will sie nicht allein lassen.»
    Das war nicht die ganze Wahrheit. Sie war Diego zwar längst wieder zugetan; seit dessen jähzornigem Angriff gegen Jonas hatte sie es aber strikt vermieden, mit ihm allein zu sein. Mit Abstand und im Beisein der anderen konnte sie sich seine Freundschaft gefallen lassen, konnte sie seine Aufmerksamkeiten und versteckten Zärtlichkeiten sogar genießen. Der Gedanke indes, einen ganzen Tag lang allein mit ihm durch die Gegend zu reiten, schreckte sie.
    «Schade», sagte er nur, ohne eine Regung zu zeigen, und wandte sich wieder dem Prinzipal zu.
    Am nächsten Morgen war Diego bereits vor Sonnenaufgang verschwunden. Es wird ein herrlicher Tag, dachte Marthe-Marie beim Ankleiden, und sie bereute fast ihre rasche Ablehnung. Der klare, sonnige Morgen versprach einen der ersten Frühlingstage. Als sie das Fenster in der Schankstube öffnete, gaben die Vögeldraußen im Hof ihr fröhliches Konzert. Sie schloss die Augen und sog die kühle, würzige Luft ein. Bald würde sie diese Frische des Morgens, die sie so sehr liebte, wieder jeden Tag spüren.
    Marusch klatschte in die Hände. «Los, an die Arbeit. Träumen kannst du nachts.» Sie stellte die Schachtel mit dem Nähzeug in die Mitte des Tischs, dann öffnete sie die nagelneue Holztruhe, die sie sich für die Kostüme angeschafft hatten, und holte ein Bündel Kleider und Stoffe heraus. Kurz darauf traf die Näherin ein, eine ältere Witwe, die ihrem kantigen, ausgemergelten Gesicht zum Trotz stets bester Laune war.
    So saßen sie bis zum späten Nachmittag um den Tisch: Marthe-Marie, Mettel und Antonia mit Stopfen, Flicken und Ausbessern beschäftigt, Marusch und die Näherin mit dem Schneidern neuer Kostüme. Wobei Marusch genau genommen weder Schneideklinge noch Nadel und Faden in die Hand nahm, sondern Anweisungen gab. Sie war ganz in ihrem Element, animierte die alte Näherin zu immer neuen, phantasievollen Möglichkeiten, experimentierte mit gewagten Farbkombinationen, mit Kordeln, bunten Bändern, Schleifen.
    «Im Grunde war es höchste Zeit für neue Kostüme», sagte sie begeistert. «Wir sollten sie künftig alle zwei, drei Jahre erneuern.»
    Als das Licht zu schwach zum Arbeiten wurde, räumten sie ihr Nähzeug beiseite. Dann kehrte Diego zurück. Er hatte ein dickes Bündel mit weiteren Kleidungsstücken mitgebracht.
    «Eure Arbeit für die nächsten Tage.»
    Er wirkte müde.
    «Wie geht es Anna und Lambert? Sind sie wohlauf?», fragte Marthe-Marie.
    «Alles in Ordnung. Sie sind glücklich, dass ihre Zeit auf dem Hof ein Ende findet. Ihren Sohn haben sie wohl nur zwei-, dreimal zu Gesicht bekommen.»
    Er sah zur Tür.
    «Sind die anderen noch unterwegs?»
    Etwas in seiner Stimme ließ Marthe-Marie aufhorchen.
    «Was ist? Hast du schlechte Nachrichten?»
    «Ja. Für Pantaleon. Sein Kamel ist tot. Regelrecht verreckt.»
    «O Gott!»
    Die Frauen starrten ihn an. Jeder wusste, wie innig Pantaleon seinen Tieren verbunden war.
    «Nun erzähl schon», drängte Marusch.
    «Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe den Bauern zur Rede gestellt: Er behauptete, das Kamel sei während der letzten Frosttage erfroren. Er trage keine Schuld, so ein Tier gehöre schließlich auch in die Wüste. Von Lambert weiß ich aber, dass Schirokko Tag und Nacht in der dunklen Scheune eingesperrt war, ohne Frischfutter und wahrscheinlich auch ohne ausreichend Wasser. Angeblich hätte das Tier auf der Weide die Rinder verrückt gemacht. Wann immer es möglich war, hat sich Lambert heimlich zu Schirokko in die Scheune geschlichen und ihm eine Fuhre frisches Gras gebracht, doch irgendwann hat Schirokko sich in die Ecke gelegt und war nicht mehr zum Aufstehen zu bewegen. Eines Morgens war er tot, der Abdecker hat ihn gleich fortgeschafft.»
    «Das wird Pantaleon hart treffen.»
    «Was wird mich hart treffen?» Der Tierbändiger stand im Türrahmen. Das Lid seines gesunden Auges zuckte.
    Diego trat zu ihm und legte ihm den Arm um die Schulter.
    «Komm mit.» Er führte ihn mit sich hinaus auf die Straße.
    «Dieser Dreckskerl von Bauer», fluchte Marusch. «Von wegen erfrieren. Kamele können überhaupt nicht erfrieren. Das Fell über die Ohren ziehen sollte man

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