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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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diesem Schinder.»
    «Wir müssen den Bauern zur Rechenschaft ziehen», sagte Marthe-Marie. «Schließlich war das Kamel Pantaleons wertvollster Besitz.»
    Marusch lachte böse.
    «Sehr spaßig. Eine Hand voll Vagabunden zieht gegen einen reichen Bauern vor Gericht wegen eines Kamels – so eine Geschichte können wir vielleicht als Fastnachtsposse aufführen.» Wütend knallte sie den Deckel der Kleiderkiste zu.
    An diesem Abend bekamen sie den Tierbändiger nicht mehr zu Gesicht. Sofort nach der Unterredung mit Diego war Pantaleon in die Schlafkammer verschwunden. Er erschien erst wieder zum Morgenbrot mit einem gepackten Bündel. Schweigend löffelte er seine Milchsuppe aus, erhob sich, schüttelte jedem stumm die Hand, pfiff seine beiden Affen herbei und ging zur Tür. Die anderen folgten ihm nach draußen auf die Gasse. Leichter Nieselregen hatte eingesetzt.
    «Dein Anteil.» Sonntag drückte ihm ein paar Münzen in die Hand. «Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?»
    Pantaleon schüttelte den Kopf. Dann marschierte er los, bedächtigen Schrittes, den Hut tief in die Stirn gezogen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er den Grabenbach entlang, bog nach links in ein Gässchen und war verschwunden.
    «Armer Pantaleon. Erst sein Bär, jetzt das Kamel», sagte Marthe-Marie leise zu Marusch. «Weiß er denn, wohin er will?»
    «Ja. Immer den Neckar aufwärts. Irgendwo auf der Baar hat er einen Bruder, der dort als Schäfer lebt.»
    «Und sein Karren auf dem Einödhof?»
    Marusch zuckte die Schultern. «Wir sollen ihn nehmen oder verbrennen, hat er gesagt.»
     
    «Avanti!», brüllte Marusch und stieß in ihr Horn.
    «Avanti!», kam es zwanzigfach zurück.
    Der Tross setzte sich ruckend in Bewegung. Wie ein träger Wurm wand er sich die Anhöhe hinunter. Mit übermütigem Geschrei tobten Tilman und Niklas samt den beiden Hunden voraus. Als sie am Haupthaus vorbeikamen, wirkte es wie ausgestorben.Nicht einmal der Hofhund lag an der Kette. Der Einödbauer zog es offenbar vor, den Spielleuten aus dem Weg zu gehen.
    Es ist fast wie früher, dachte Marthe-Marie, die neben Marusch hockte und den Wohnwagen kutschierte. Wenn man von dem erbärmlichen Zustand der Wagen und Karren absah – etliche Silbermünzen und unzählige Stunden Arbeit würde es noch kosten, bis Leonhard Sonntags Truppe wieder im alten Glanz über die Gassen und Marktplätze würde ziehen können. Doch das Notwendigste hatten sie beisammen, das Wichtigste war instand gesetzt.
    Vor ihr wackelten im Takt der Schritte die viel zu langen Ohren eines struppigen Maultiers. Geschickt lenkte sie den Wagen um Ambrosius’ Karren herum, der am Straßenrand abgestellt war, während der Doktor mit dem Rücken zu ihnen im hohen Gras stand.
    «Na, Ambrosius, wieder Schwierigkeiten mit dem Harndrang?», rief Marusch ihm zu. «Musst halt mal einen Medicus aufsuchen.»
    «Halt’s Maul, Maruschka aus der Walachei.»
    Marusch grinste. «Die harte Arbeit diesen Winter hat ihm gut getan. Er spricht inzwischen wie ein gewöhnlicher Mensch.»
    «Ehrlich gesagt», entgegnete Marthe-Marie, «hätte ich nie gedacht, dass er diese beschämende Arbeit als Gassenkehrer durchhält. Ein Dummschwätzer und Quacksalber war er bisher in meinen Augen, aber jetzt muss ich meine Meinung über ihn wohl ändern.»
    Sie hielt ihr Gesicht in den Wind. Die Luft war kalt und feucht, sie trug mehrere Schichten an Hemden und Röcken übereinander, aber um nichts hätte sie den Platz auf dem Kutschbock mit der stickigen Enge der Herberge in Horb getauscht.
    In ihrer letzten Nacht dort hatte sie zum ersten Mal nach langer Zeit einen Traum gehabt, an den sie sich beim Erwachen in aller Klarheit erinnern konnte: Nicht Pantaleons Kamel lag in der Scheune des Einödhofs im Sterben, sondern Jonas. Sie hattezusammen mit den anderen die Scheune betreten, um ihre Habseligkeiten zu holen, da sah sie ihn am Boden liegen, zusammenkrümmt im schmutzigen Stroh. Er atmete kurz und heftig, seine Augen waren geschlossen. Entsetzt hatte sie sich über ihn gebeugt, ihre Hand auf seine schweißnasse Stirn gelegt. Jetzt erst nahm sie wahr, dass er vollkommen abgemagert war, er trug nichts als eine halblange Hose, seine Rippen stachen hervor, er zitterte am ganzen Leib. Warum hast du mich allein hier oben gelassen?, hörte sie ihn flüstern, sie haben mich in Ketten gelegt, als ich zu dir wollte. Jetzt ist es zu spät. Dann hatte er zu atmen aufgehört, und sie schrie und schrie.
    Von diesem Schrei war sie

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