Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
unwahrscheinlich, dass sie ihr Ziel erreichen würden.

26
    «Nennen wir sie Fortuna», schlug Diego vor. «Sie soll uns Glück bringen.»
    Sonntag nickte und klopfte dem Grauschimmel den Hals. DieStute war zwar nicht gerade hübsch mit ihrem Ramskopf, jedoch kräftig und gut im Futter.
    «Oder hast du einen anderen Vorschlag?» Sonntag drehte sich zu Salome um. «Schließlich wären wir ohne deine Hilfe wohl niemals auf einen grünen Zweig gekommen.»
    Die Wahrsagerin verzog ihren schiefen Mund zu einem Grinsen. «Fortuna ist ein guter Name. Auch wenn ich Pferde nicht besonders mag.»
    Der Rabe auf ihrem Buckel krächzte böse und schlug mit den Flügeln, wie um ihre Worte zu bestätigen. Marthe-Marie musste lachen. Längst hatte sie alle Scheu vor der zwergwüchsigen Frau und ihrem schwarzen Begleiter verloren.
    Sie hatten sich in einem Stall in der Vorstadt versammelt und betrachteten voller Stolz ihre Erwerbung. Am nächsten Samstag würden sie auf dem Viehmarkt noch ein paar Maultiere dazukaufen und sich dann auf den Weg in die Berge machen, um ihre Wagen zu holen. Sie hatten es geschafft.
    Noch vor sechs Wochen hätte keiner von ihnen geglaubt, aus diesem Elend jemals wieder herauszufinden. Nur kurze Zeit nach Salomes Freilassung aus dem Turm hatte der Sämisch-Gerber Marthe-Marie und Marusch den Zutritt zu seiner Werkstatt verwehrt, ohne ein einziges Wort der Begründung. Dann verlor Mettel ihre Arbeit als Wäscherin. So waren es nur noch Diego, Maximus, der Wundarzt und Maruschs Tochter Clara, die morgens die Herberge verließen.
    Doch dann, Anfang Februar, war unverhofft eines Nachmittags Salome erschienen und hatte dem Prinzipal mit unbewegter Miene eine Hand voll Schillinge übergeben.
    «Eure faulen Tage haben ein Ende. In zwei Wochen ist Fastnacht, also beeilt euch, etwas Entsprechendes einzustudieren. Das Geld ist ein Vorschuss für das Nötigste an Kostümen und Requisiten.»
    Ungläubig starrte Sonntag sie an. «Sieh dich vor, Salome. Nach Scherzen steht mir längst nicht mehr der Sinn.»
    «Mir auch nicht, wenn ihr nicht gleich in die Pantinen steigt. Ich habe nämlich vor dem Obervogt ziemlich große Töne gespuckt, was eure Schauspielkünste betrifft. Ich musste ihm bei meinem Raben schwören, dass er nicht enttäuscht sein wird, wenn ihr an den Fastnachtstagen auf der Oberen Veste auftretet.»
    Ganz konnte sie den Stolz auf ihrem faltigen kleinen Gesicht nicht verbergen.
    «Antonia! Tilman! Was steht ihr noch herum?», schnauzte Sonntag. «Geht Diego und Maximus suchen und reißt ihnen die Kloakenschaufel aus der Hand, bevor sie an den fauligen Dämpfen ersticken. Sie sollen sofort herkommen. Und ihr Frauen kümmert euch um die Ausstattung. Holt eine Näherin dazu.»
    Fastnacht war nur der Anfang gewesen. Eine Woche nach ihrem dreitägigen Gastspiel auf der Oberen Veste hatte Salome die Nachricht überbracht, der Obervogt wünsche, dass Sonntags Truppe anlässlich seiner Verlobung zur Unterhaltung beitrage. Das Glück schien sich endlich wieder auf ihre Seite zu schlagen, zumal sich ihr Auftraggeber als überaus großzügig erwies. Doch nicht nur Marthe-Marie war jedes Mal froh, wenn sie abends die Festung verlassen konnte, um in ihre schäbige Vorstadtherberge hinabzusteigen. Sonntag und Diego hatten gehörig daran zu schlucken, dass sich der feiste, laute, selbstgefällige Obervogt in alles einmischte und gleich nach ihrer ersten Aufführung Szenen geändert und gestrichen hatte, um seine eigenen, meist hanebüchenen Einfälle einzufügen. Zähneknirschend erfüllten sie alle Wünsche des hochwohlgeborenen Junkers   – Sonntag puderte sich sogar mit Asche ein, um im Bastrock einen Mohrentanz aufzuführen. Sie waren Marionetten in den Händen eines herrischen Dummkopfs, der sie nach Belieben tanzen und springen ließ.
    Nun hatten sie es hinter sich gebracht, und einem Neuanfang,wenn auch mit bescheidenen Mitteln, stand nichts mehr im Wege. Marthe-Marie betrachtete Salome, die jetzt in respektvollem Abstand zu dem Grauschimmel stand, voller Hochachtung. Es war ihr ein Rätsel, wie diese verwachsene, von der Natur so sichtlich benachteiligte Frau sich in diesen hohen Kreisen hatte Anerkennung verschaffen können, während die Bürger der Stadt sie am liebsten vor Gericht geschafft hätten. Wie undurchschaubar die Welt manchmal sein konnte.
    Diego riss sie aus ihren Gedanken.
    «Begleitest du mich zum Einödhof?»
    «Wie?»
    «Ich möchte morgen früh zu Lambert und Anna reiten. Ich muss einfach

Weitere Kostenlose Bücher