Die Tochter der Konkubine
schmuddelige Büro der Vorsteherin führten, blickte sie ein letztes Mal auf die Weberinnen von sau-hai hinab, die sanften Schwestern, die sie mit einem Lächeln getötet hätten. Sie verspürte keine Wut oder Rachegelüste, nur Mitleid, als sie sah, dass die Herzen der Schwestern von sau-hai leer waren. Sie hatten ihre Seelen gegen das weiße Taschentuch und den farbigen Sonnenschirm eingetauscht. Als sie erst einmal draußen war und die Sonne ihr ins Gesicht schien, schickte sie ein Dankgebet an Kleinen Kiesel, dass sie sie vor dem Preis gewarnt hatte, den man für eine niemals leere Reisschale zahlen musste.
Erfrischt durch die Freuden des Badehauses, angetan mit samfoos aus Seide, jede in einer anderen glänzenden Farbe, mit hübschen Pantoffeln an den Füßen, das Haar gebürstet und mit Bändern zusammengehalten, waren die Damen von mung-cha-cha nicht wiederzuerkennen. Jede von ihnen trug einen geöffneten Sonnenschirm in Rosa und Blau oder Grün und Gelb bei sich, als Li ihnen voran den Ladekai entlang und die Gangway der Golden Sky hinaufging.
Ein Stück flussaufwärts bei Riese Yuns Hütte wurde Kleiner Kiesel an Bord getragen, und die mung-cha-cha halfen ihr, ihren abgetragenen mien-larp auszuziehen und dafür einen wattierten, schwarzen anzulegen, der von Gold - und Silberfäden durchzogen war. Die Familie war wieder vollständig.
»Ich wusste doch, du würdest uns nicht vergessen, Holzapfel. Echte Gelehrte vergessen nichts von großer Wichtigkeit.« Kleiner Kiesel grinste zu Li hinauf. »Ich bin nicht mehr so kräftig wie damals. Ich sehe nicht mehr besonders gut … aber tief im Innersten bin ich noch immer eine Tänzerin, und mein Herz ist noch immer voller Geheimnisse.«
Mit der Golden Sky fuhren sie fünf Meilen zur Anlegestelle des Gehöfts von Ah-Bart, dem alten Herrn, der sich schließlich doch zu seinen Ahnen gesellt hatte. Als sie in Sichtweite kam, standen die mung-cha-cha aufgereiht an der Reling, verwirrt von diesem Tag
der vielen Wunder und erstaunt darüber, was sie sahen: Das Landhaus und seine Nebengebäude waren repariert und frisch gestrichen worden, die Tür in Glücksrot. Zerbrochene Dachziegel waren erneuert, der Garten gepflegt, die Maulbeerbäume, die voller Kokons waren, gestutzt worden. Das größte der Nebengebäude war in einen Sortier - und Webschuppen umgebaut worden. Ein anderes enthielt einen neuen Kupferkessel und alle zur Seidenherstellung notwendigen Gerätschaften. Neben diesem war aus Backsteinen und Dachziegeln eine Spinnerei erbaut worden, ausgerüstet mit ausreichend Ventilatoren, Heizöfen und den allerneuesten Webstühlen.
In dem neu errichteten Pferch befanden sich Ziegen und Schweine im Schweinestall. Das Wasserrad drehte sich wieder fast ganz ohne Knarren, während zufriedene Enten zwischen Lilien umherschwammen und fette Hühner frei in einem Obstgarten herumliefen, der zu seiner alten Pracht zurückgefunden hatte. Auf den wiederhergestellten Terrassen sprossen bereits die ersten jadegrünen Reispflanzen, auf dem Feld, wo sich ein Büffel in einem neu gegrabenen Fischteich wälzte, graste ein Eselspaar. Ein neuer Eisenpflug und ein vierrädriger Karren komplett mit Geschirr standen einsatzbereit im Schuppen. Ein fröhlich angestrichener Sampan mit einem himmelblauen Segel und einem Dieselmotor lag am wiederhergestellten Anlegeplatz vertäut. Am wunderbarsten aber waren die vielen Reihen junger Maulbeerbäume, die auf den leeren Feldern gepflanzt worden waren.
Vom Deck aus gesehen raubte die Vollkommenheit dieser Flussuferszene Li den Atem. Als sie die einzelnen Punkte im Hauptbuch eingetragen hatte und die Gesamtkosten berechnet hatte, war die Summe so hoch gewesen, dass sie sich gefragt hatte, ob das Ganze wirklich machbar sei. Erst als Ben ihr versichert hatte, dass sich das Geld auf weniger belief, als er in einem Jahr für Rum und Tabak ausgab, hatte sie aufgehört, sich Sorgen zu machen. Indie da Silva hatte die ganze Unternehmung organisiert, hatte Material an Bord eines Double-Dragon-Arbeitsschiffes und einen Trupp ausgewählter Männer liefern lassen.
Entzückt blickte sie in die erstaunten Gesichter der mung-cha-cha und sprach die Worte, die einen Traum erfüllten, den sie einst für unerfüllbar gehalten hatte. »Dieses Gehöft gehört euch. Es gehört der mung-cha-cha -Familie.« Sie hielt eine Schriftrolle hoch. »Das ist eine Abschrift der Übertragungsurkunde. Sie ist in meinem Namen ausgefertigt, und ich werde eure Vertreterin in Macao
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