Die Tochter der Konkubine
eines Fuchses.
Li wich vor diesem grässlichen Talisman zurück und beeilte sich, Ben zu wecken, war allerdings nicht imstande, ihr Entsetzen in Worte zu fassen. Sie führte ihn eilig zurück zum Tempel. Doch die Pfote war verschwunden, und auf den Steinplatten waren keine
Blutspuren mehr zu sehen. Zunächst wollte er unbedingt Dr. McCallum herholen, da er sich eindeutig Sorgen um ihren Geisteszustand machte. Erst die Geschwindigkeit, mit der sie ihre Fassung wiedergewann, brachte ihn dazu, sich anzuhören, was sie zu sagen hatte.
»Wenn du mir je wirklich vertraut hast, dann bitte ich dich, es jetzt auch zu tun. Noch nie wurde es auf eine so große Probe gestellt.« Sie saßen an dem runden Tisch im Pavillon, wo niemand sie belauschen konnte. »Ich habe Fisch gebeten, bei diesem Gespräch dabei zu sein, weil sie alles mitbekommen hat, was gesagt und getan wurde, und mir schon viele Male geraten hat, dich zu informieren.«
Es dauerte fast drei Stunden, um die Geschichte der sau-hai und ihres Einflusses auf Ah-Ho, die verhüllte Feindseligkeit gegenüber Li und die unverhohlene Drohung, die vor so kurzem ausgestoßen wurde, zu erzählen. Einen Großteil davon überließ sie Fisch, in der Gewissheit, dass Ben wissen würde, dass sie sich von den eigenen Leuten nicht so leicht täuschen ließ und ihr Herz von keinem anderen Interesse geleitet wurde als der Loyalität ihnen beiden gegenüber. Ben erfuhr von jeder Drohung und Beleidigung, sein Kiefer spannte sich immer mehr an, und er musste den Blick abwenden und starrte aufs Meer, während er jedes Wort in sich aufnahm.
Hamish McCallum nahm Li für einige Untersuchungen mit in seine Arztpraxis im Stadtzentrum und dann zum Mittagessen in seinen Club. Bei ihrer Rückkehr waren Ah-Ho und ihre engsten Anhänger verschwunden.
Ben erzählte wenig über den Abschied von Ah-Ho, nur, dass sie sich nachdrücklich und verächtlich verteidigt hatte. Sie wisse nichts von einer Fuchspfote, hatte sie behauptet, nur, dass die tai-tai müde sein müsse. Bei jemand so Jungem in so fortgeschrittenem Stadium der Schwangerschaft seien solche Visionen nichts Ungewöhnliches.
»Dass sie mir ins Gesicht gelogen, mich für solch einen Narren gehalten hat, empört mich. Ich habe sie ohne Neujahrsvergütung und ohne lai-see entlassen. Worüber sie ein Riesengeschrei gemacht
hat.« Er grinste trocken. »Ich fürchte, meine Ahnen sehen rauen Zeiten entgegen.
Ich sorge dafür, dass das Büro Ersatz findet, bitte zerbrich dir darüber nicht den Kopf.« Er nahm sie in die Arme. »Tut mir leid, dass ich so blind war … du hättest es mir früher erzählen sollen.«
Dass Ben so ernüchtert worden war, tat Li von Herzen weh. »Fisch hat mir viele Male dazu geraten … aber ich dachte, ich bekäme das schon hin.« Bestürzt darüber, dass sie die Ursache für seine Ungelegenheiten war, suchte sie in seinem Gesicht nach seinem sorglosen Lächeln. »Glaub mir, ich habe nichts getan, um diese Dinge heraufzubeschwören, und habe alles versucht, um sie zu verhindern.« Sein Lächeln brach durch, wie immer.
»Müssen wir uns bei der Suche nach Ersatz beeilen?«, fuhr sie fort. »So viele Bedienstete brauchen wir doch gar nicht … Fisch geht mir über alles. Ah-Kins Frau ist eine ausgezeichnete Köchin und sein Sohn ein guter Houseboy. Es gibt nur noch eine Person, der ich vollkommen vertrauen würde. Sie heißt Ah-Su, die Ehefrau Nummer Drei im Hause meines Vaters, doch sie ist unglücklich dort. Als ich völlig verzweifelt war, erwies sie mir Gutes. Wenn du einverstanden bist, schreibe ich ihr, aber es eilt nicht. Lass uns zunächst auf unsere Art das Neujahrsfest begehen. Wenn du nichts dagegen hast, mache ich mich dann im neuen Jahr zu gegebener Zeit auf die Suche nach neuen Kräften.«
Er beugte sich vor, küsste sie auf die Stirn und ließ sie nur widerstrebend wieder los. »Du stehst dem Haushalt vor, nicht ich. Alles soll so sein, wie du es dir wünschst. Finde Personal, welches du magst und wann du es möchtest, und keinen Augenblick vorher. Bis dahin kommen wir bestens zurecht.« Er ließ sie frei, ließ den Kopf jedoch noch auf ihrer Schulter ruhen.
»Lassen wir diese unglückselige Sache hinter uns … und versprich mir, dass du dich nun ausruhst.« Seine Stimme war tröstlich, doch Li konnte den Schatten hinter seinem Lächeln sehen.
Die nächsten Wochen verlebten sie in schlichter Zufriedenheit und wurden nur durch einen Telefonanruf am Neujahrsabend von Indie da Silva
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