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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Bogen in die Luft. »In diesem kurzen Augenblick erstrahlte der See wie ein Leuchtfeuer. Es war ein Zeichen dafür, dass dieses Kind den See überqueren und in dieses Haus kommen würde. Wir werden sie Siu-Sing nennen - Kleiner Stern. Wenn sie überlebt, wird sie eines Tages den Himmel erhellen.«
    Er stellte eine Schüssel mit Suppe auf den Tisch. »Dir hat man ihr Herz anvertraut, und du sollst ihre Seele lenken; ich werde mich um ihr körperliches und geistiges Wohlergehen kümmern.«
    Fisch kostete die Suppe und nickte anerkennend. Als sie aufgegessen hatte, zog sie ein eng umwickeltes Bündel aus dem Tragetuch. »Wir müssen hierfür einen sicheren Ort finden. Die Zukunft des Kindes steckt darin. Mir wurden viele Dinge gestohlen - eine alte Frau, die den Yangtze entlangreist, ist eine leichte Beute. Aber dieses Bündel habe ich sicher am Boden des Tragetuchs aufbewahrt.«
    Kichernd schob sie die Suppenschüssel beiseite. »An ein so seltsames Kind hat sich niemand herangetraut - nur die Tochter des Dschunkenkapitäns, die es gegen Geld gestillt hat.«
    Er nahm ihr das Bündel ab, zog unter seinem Bett eine schwere Holztruhe hervor und kniete sich hin, um die drei Verriegelungsbolzen
aus Messing herauszuziehen, die den schweren Deckel an Ort und Stelle hielten.
    »Diese Truhe habe ich aus dem Kiel eines Wracks gefertigt, das seit Hunderten von Jahren auf dem Grund des Sees lag. Das Holz ist härter als Stein. Kein Hammer könnte es zerschmettern, keine Axt könnte es spalten … Diese Truhe ist sicherer als eine Klostergruft.«
    Er drehte an einem Bolzen nach dem anderen, bis sie an der richtigen Stelle einrasteten und sich herausziehen ließen.
    »Diese Schlösser habe ich selbst gemacht, sie verwirren alle außer mir.« Er hob den schweren Deckel an. Eine Fülle von Papierrollen und - bündeln und schmalen Büchlein, die dicht aufeinandergestapelt waren, kamen zum Vorschein.
    »Diese Kiste enthält mein Lebenswerk und die Arbeit anderer Weiser, die schon von uns gegangen sind. Sie beinhaltet die Welt aus der Sicht der Unsterblichen, wenngleich nur wenige den wahren Wert erkennen würden.« Er lachte vor Vergnügen über dieses Geheimnis. »Die Dummköpfe im Dorf erzählen sich Geschichten, nach denen diese Kiste mit Silber gefüllt ist, das ich durch den Verkauf von Alraunenwurzeln verdient habe, die manche auch Ginseng nennen.« Er nahm ihr das Bündel ab und suchte ihm tief unten in der Kiste einen Platz zwischen dem Papier. »Hierher kommen nur wenige, und niemand traut sich, dieses Haus uneingeladen zu betreten.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich glaube, sie haben Angst vor mir … Kein Schilfschneider würde aus dem Tiegel eines Zauberers stehlen und kein Förster einem Zauberer zu nahe kommen. Auf die Art lassen sie mir meinen Frieden, und mein Haus ist sicher.«
    Der Alte To schloss die Truhe, verriegelte sie und führte seine Cousine zu einem zweiten Bett, das in der Ecke gegenüber seinem eigenen stand. »Manchmal übernachtet hier jemand, ein Hirtenjunge. Er ist jung und stark wie eine Bergziege; er kann seine Decke im Kräuterschuppen ausbreiten.« Nachdem sich seine Cousine hingelegt hatte, deckte er sie behutsam mit einer Decke aus Kaninchenfell zu.

    »Die Vögel werden dich wecken, und die Nachtigall singt dich in den Schlaf. Sorge dich nicht um die Kleine. Ich werde nach unten ins Lager gehen und eine Frau suchen, die sie stillt. Und aus dem Herzen des Pfirsichbaumes werde ich eine Krippe schnitzen. Darauf freue ich mich schon.«
    Hinter ihm, durch eine kleine Lücke in der aus Matten bestehenden Wand, starrte ein menschliches Auge herein, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Nachdem der Alte To die Truhe zurückgeschoben hatte und das Gespräch beendet schien, zog Ah-Keung, der Hirtenjunge, sich zurück. Er konnte nicht glauben, was er gesehen und gehört hatte. Sein geliebter si-fu - sein großer Lehrmeister - hatte den Ort, an dem er Zuflucht gefunden hatte, einer Hexe gegeben und einem kleinen Wicht, der rosa war wie ein Ferkel. Erst schüttelte es ihn vor Wut; dann vor Scham und Verdruss. Dämonen, die er für auf ewig verschwunden gehalten hatte, verhöhnten ihn jetzt in hohen, schrillen Tönen, die nur er hören konnte.

    Fisch erwachte von den ersten Vogelgesängen im Bambusgehölz. Als sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah sie, dass das Bett ihres Cousins leer war. Das Baby schlief tief und fest in einem behelfsmäßigen Bettchen. Sie entdeckte eine schemenhafte

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