Die Tochter der Konkubine
gefüllter Tonbehälter und ein Terracotta-Ofen.
»Deine Tantchen werden dich so schön machen wie eine Prinzessin, genau, wie ich es versprochen habe. Du musst schön stillhalten, dann darf dir Tante Nummer Drei vielleicht das Lesen beibringen.«
Er wandte sich ab und war rasch verschwunden - und mit ihm sein Versprechen. Als die Frauen kamen und ihr die Füße waschen wollten, versuchte Li-Xia sich zu verstecken, schoss von einem Sackhaufen zum nächsten, drückte sich in enge, dunkle Ecken und rief laut nach ihrer Mutter. Die Frauen jagten ihr nach wie einem Huhn, das in den Kochtopf kommen sollte. Als sie sie schließlich eingefangen hatten, hielten sie sie fest und drückten ihre Füße in einen Behälter mit kochend heißem Kräutersud, dass ihre Schreie die Spatzen vom Pfefferbaum aufschreckten: »Mama, Ma-maaaaa!«
»Deine Mutter kann dich nicht hören. Die ist im Wind verloren gegangen.«
Die Stimme von Nummer Eins übertönte laut die der anderen, während sie Li-Xia eine Ohrfeige gab. Nummer Zwei schrie wie eine Gans, als Li-Xia sich mit Händen und Füßen wehrte und dabei den Tontopf umwarf, so dass die heiße, braune Brühe in ihre zornigen Gesichter spritzte. Trotz ihrer Gegenwehr waren eine Stunde darauf die ersten Verbände um ihre Schienbeine gelegt, die ihre Füße so fest an ein hölzernes Brett banden, dass Li-Xias Schmerzensschreie die Frauen dazu brachten, sich die Ohren zuzuhalten. Sie verschnürten die Verbände mit Geheimknoten, die schwer zu finden und angeblich nur von dem wieder zu lösen waren, der sie geknüpft hatte. Yik-Munns Frauen knallten die Tür in ihren knarzenden Scharnieren zu und schoben draußen den großen Eisenriegel vor.
Am liebsten hätten sie diese lästige Angelegenheit damit hinter sich gehabt, aber sie wussten nur zu gut, dass das gerade einmal der Anfang war. Die Füße der Fuchsfee würden viele Monate lang verbunden werden müssen, bis sich die elastischen Knochen langsam gebogen hatten oder gebrochen waren und die Sehnen und Bänder sich noch mehr verkürzt hatten, bis mit unendlicher Geduld die Ferse die Zehen berührte und sich die Knochen neu ausrichteten, um für immer … solch hübsche goldene Lotusfüße … zu bleiben.
Den drei Frauen Yik Munns waren die damit verbundenen Qualen durchaus bewusst. Doch die waren kein Thema; nur an die
großen Vorteile dachte man. Dem Glücklichen, der die Lotusfüße liebkoste, bereiteten sie großen Genuss und verliehen ihm großes Ansehen; die erotische Neigung in der Haltung seiner Frau, ihre reizvollen Trippelschritte erfreuten sein Auge und das derer, die ihn beneideten. Solch eine Frau konnte stolz auf diese Steigerung ihrer Schönheit im Interesse des Mannes sein, dem sie gehörte. Den Spruch »Lotusfüße sind glückliche Füße« glaubten viele, die sie nicht besaßen.
Die ersten Wochen lang wurde Li-Xia gefesselt und geknebelt und nur davon befreit, um zu essen, sich zu waschen und den Nachttopf zu benutzen. Sowohl Ehefrau Nummer Eins wie auch die große Goo-Mah gaben dazu lautstark ihre Zustimmung. Wenn man sie nicht zähmte und sie in Schranken wies, konnte der Haushalt von allen möglichen Katastrophen heimgesucht werden.
Das Mädchen sterben zu lassen und dann von ihrem rachedurstigen Geist verfolgt zu werden, trauten sie sich nicht, auch wollten sie nicht Yik-Munns Zorn auf sich ziehen, der so fest entschlossen war, Li-Xia zum höchstmöglichen Preis zu verkaufen. Er war bereits bei dem reichen Seidenhändler Ming-Chou vorstellig geworden, einem Präfekten der Provinz Kwangtung und sehr bedeutenden Mann. Die Hälfte des Preises war bereits in Silber bezahlt worden, und die Familie würde für immer das Gesicht verlieren, wenn sie an ihrem achten Geburtstag nicht so rein und schön ausgehändigt werden würde, wie er es versprochen hatte.
Die kaputte Glückskachel noch immer im Hinterkopf, hatte Yik-Munn Li-Xia, seitdem das Füßebinden begonnen hatte, nicht mehr besucht. Zugegebenermaßen beunruhigte ihn die Gegenwart des Kindes. Er überließ es den Frauen und verbrachte seine Zeit damit, dem Tratsch im dörflichen Teehaus zu lauschen, seine im Käfig gehaltenen Singvögel im öffentlichen Park auszuführen, Dame zu spielen oder sich mit alten Freunden im Tai Chi Chuan zu üben. Seine Nachmittagspfeife genoss er häufiger, und er verbrachte mehr Stunden denn je damit, den Drachen zu jagen. Oft blieb er über Nacht bei seiner Geliebten, die ihm viel Mitleid und
Verständnis für seine vielen
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