Die Tochter der Konkubine
nichts an!
Dies waren die Worte, die in ihm ertönten. Sein Arm zuckte in dem Wunsch, sie zu schlagen, mit zusammengepressten Zähnen blickte er sie mit sichtlichem Ekel an. Doch ehe er sprach, dachte er nach. Vielleicht war es am besten, sagte er sich, ihr etwas zu versprechen, das er nie einzuhalten gedachte. Diese Methode hatte sich als nützlich erwiesen, wenn er einer Frau den Wind aus den Segeln nehmen wollte - sie nie ganz in Sicherheit zu wiegen, ihr die Hoffnung nicht ganz zu nehmen.
»Vielleicht können wir eines Tages, wenn du ein wenig älter bist, darüber reden«, sagte er in entspannterem Ton.
»Aber zunächst einmal habe ich ein weiteres Geschenk für dich - eines, das viel großartiger als das bedeutendste Buch oder
das Lesen von Worten ist, die andere geschrieben haben. Ein Geschenk, das dich in eine Prinzessin verwandeln wird. Ich habe beschlossen, dir die Füße der goldenen Lotusblume zu schenken, so klein und schön wie die deiner Mutter.«
Er breitete die Arme aus, und die Ärmel seiner Robe breiteten sich aus wie Pfauenflügel. Einen kurzen Augenblick lang dachte Li-Xia, er werde von seinem Thron hinabsteigen und sie packen. Aber das tat er nicht.
Li-Xia sah verwirrt aus. Besaß dieses Kind denn keine Dankbarkeit? Er bildete mit den Händen Schalen, als würden sie etwas sehr Zerbrechliches, aber sehr, sehr Wertvolles halten.
Als sie weiterhin nicht zu verstehen schien, winkte er sie fort. »Geh jetzt. Vielleicht, eines Tages, wenn du Respekt zeigst und nie wegläufst - wenn du mir und deinen freundlichen Tanten immer gehorchst -, dann darfst du möglicherweise lesen lernen … vielleicht auch schreiben und das Rechnen mit dem Abakus.«
Als sie fort war, setzte Yik-Munn sich auf seinen Sessel und nahm sich mit unsteter Hand die langstielige, aus Schweinsknochen geschnitzte Pfeife, die auf dem Tisch neben ihm gelegen hatte. Die Kachel, so schien es ihm, war mit einer Wucht auf dem Boden aufgeschlagen, die die Kraft eines fünfjährigen Kindes übertraf. Er schüttelte den Kopf, um das Geräusch zu verscheuchen, das noch immer in seinen Ohren nachhallte, und schob ungewünschte Gedanken beiseite. Aus dem Topf, der nicht größer als ein Eierbecher war, spießte er mit der Spitze eines elfenbeinernen Zahnstochers eine kleine schwarze Kugel auf und stopfte sie sorgfältig in den kleinen Pfeifenkopf.
Augenblicke darauf, als dichter blauer Rauch in Ringen aus seinen Nasenlöchern stieg, entspannte er sich. In seinen Augen waren Lotusfüße immer eines der entzückendsten Attribute gewesen, das eine Frau besitzen konnte. Von Nummer Vier um derlei Freuden gebracht, würde er sie nun ihrem Kind geben. Das würde ihren Wert ums Hundertfache steigern.
Seine ältere Schwester würde sich über seine Entscheidung freuen
- sie hatte Pai-Ling vor allem deshalb empfohlen, weil sie bekanntermaßen Lotusschuhe trug und dieser Familie aus Bauerntölpeln das dringend benötigte Ansehen verschaffen würde.
Er wusste, dass sich das Ganze bis zu drei Jahre und länger hinziehen konnte, doch wenn die Götter ihm beistanden, würden die Lotusfüße - nicht länger als acht Zentimeter - bis zu ihrem achten Geburtstag perfekt sein. Sie würden wahrhaft schön, bereit, von den glücklichen Händen des Seidenhändlers Ming-Chou ausgewickelt zu werden.
Was jedoch, wenn dabei etwas schiefging? Li-Xia würde sehr leiden, ohne dass man etwas dagegen tun konnte. Sogar sterben konnte sie, wie das bei einem von zehn Mädchen der Fall war. Bisweilen infizierten sich die Füße, und manche Mädchen verloren ihre Zehen oder Füße ganz - aber dieses Risiko war es allemal wert. Lotusfüße waren eine gute Investition. Mit einer Frau, die welche hatte, gab es nie Schwierigkeiten. Ihr Vater, ihr Mann und ihre Söhne hatten immer absolute Kontrolle über sie. Der Schmerz, der sich nach mehr als ein paar Schritten einstellte, würde sie immer in der Nähe halten.
Ja, Li-Xia würde Füße haben, um auf dem goldenen Lotus zu tanzen, was den hohen Preis wieder ausglich, den er für ihre wertlose Mutter gezahlt hatte. Es war beschlossene Sache. Dass manche behaupteten, das Fußbinden sei verboten, scherte ihn nicht. Derlei Gesetze mochten für Städter gelten, für einfache Leute vom Lande deswegen aber noch lange nicht.
Die Sonne schien ihm auf den Rücken, als Yik-Munn tags darauf die knarzende Tür zum Reisschuppen aufmachte. Hinter ihm standen seine Frauen mit den benötigten Utensilien - Verbände, ein mit Kräutern
Weitere Kostenlose Bücher