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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Warnung. Eine Sekunde lang starrte Hyde-Wilkins in Siu-Sings Augen. Dann zog er eine Karte aus einer Innentasche und reichte sie mama-san, ohne den Blick von Siu-Sing abzuwenden.

    »Ich bitte um Verzeihung, aber ich bin kein bananenfressender Affe, und diese Dame ist nicht meine Hure. Ich bin Captain Hyde-Wilkins, Adjutant des Kommandeurs der Eighth Royal Rajput Rifles und Militärattaché der Regierung Seiner Majestät. Die junge Dame ist eine Freundin von mir, und nun entschuldigen Sie uns bitte.«
    Er zog einen Stuhl für Siu-Sing heran und setzte sich leise lächelnd, während Nummer Fünf ihn mit großen Augen anblickte. Angesichts der Tatsache, dass ein fremder Teufel ihre Sprache so flüssig sprechen konnte, brachte sie gerade mal noch die in solchen Fällen übliche Floskel hervor. »Sie müssen mich missverstanden haben, mein Herr«, stotterte sie.
    Als Antwort zog er seine Brieftasche heraus und reichte ihr einen roten Hundert-Dollar-Schein. »Vielleicht habe ich das tatsächlich, in welchem Fall ich mich bei Mr. Poon nicht über Ihr unhöfliches Benehmen beschweren muss …«
    Er zog einen weiteren Hundert-Dollar-Schein hervor. »Oder habe ich Sie wieder missverstanden?«
    Um Worte verlegen, die ihr normalerweise auf der Zunge lagen, nahm Nummer Fünf das Geld mit einer Verbeugung entgegen. »Jedes mögliche Missverständnis wäre höchst bedauerlich, Sir«, stammelte sie. »Darf ich Ihnen auf Kosten des Hauses ein Getränk bringen?«
    »Gern.« Er bestellte ein kaltes Tsingtao-Bier und wandte sich an Siu-Sing. »Vielleicht hätten Sie Lust auf etwas mehr als nur Coca Cola oder kalten Tee?« Sie schüttelte den Kopf, während Nummer Fünf davoneilte.
    »Verzeihen Sie mir mein miserables Kantonesisch«, fuhr er fort. »Ich habe genug gelernt, um zu wissen, dass fremde Teufel wie ich nicht sonderlich beliebt sind, vor allem an Orten wie diesem. Darf ich auch um Verzeihung bitten, dass ich Sie nicht gleich wiedererkannt habe? Ich dachte, ich müsste träumen …«
    Seit dem Bankett hatte Siu-Sing viele Male an ihn gedacht: an ihn, der so sauber und jung war - er musste zwischen fünfundzwanzig
und dreißig sein, nahm sie an - und das absolute Gegenteil zu den schlaffen Wangen, dem muffigen Schweiß und den Übelkeit erregenden Pomaden, an die sie sich gewöhnt hatte. Sein dichtes Haar hatte die Farbe von Bambusblättern, die herabgefallen und von der Sonne gebleicht worden waren, entschied sie. Seine Haut war nicht weiß, sondern von einem hellen Honigbraun wie ihre eigene. Seine Nase war recht groß und kräftig geformt. Die Kerze flackerte in seinen bemerkenswerten Augen.
    »Ich konnte mich gar nicht dafür bedanken, dass Sie an dem Abend in der Taverne von Tamiko-san so nett zu mir waren«, erwiderte sie und freute sich, welches Erstaunen das bei ihm hervorrief.
    »Sie sprechen Englisch?« Er lachte und streckte ihr seine offene Hand über den Tisch hin. Seine warmen, kräftigen Finger schlossen sich fest um ihre. »Wir wurden nie richtig miteinander bekannt gemacht … Ich heiße Toby - Toby Hyde-Wilkins. Ich hoffe, Sie kriegen keine Probleme, wenn ich hier so mit Ihnen sitze. Kerle wie ich sind hier nicht unbedingt gern gesehen.«
    »Das müssen Sie ihr nachsehen, sie hätte sich nicht träumen lassen, dass Sie sie verstehen können. Diese Beleidigungen waren nur für meine Ohren bestimmt… und mich kümmern sie nicht.«
    Nummer Fünf hatte er inzwischen schon ganz vergessen. »An diesem Abend hätte ich nichts lieber gewollt, als mit Ihnen zu sprechen, mehr über Sie zu erfahren, doch das war unmöglich. Ich konnte nicht glauben, dass jemand wie Sie zu J. T. Chings Welt gehören könnte. Was für ein Glück, dass ich beschlossen habe, mir selbst ein Bild davon zu machen, was die berühmten Neun Drachen zu bieten haben.«
    Er holte eine kleine, lederne Brieftasche aus seiner Brusttasche und hielt sie auf. »Zum Teil bin ich in einer offiziellen Funktion hier. Es gehört zu meinem Job, mich zu vergewissern, dass unsere Burschen ihr Gehalt nicht in Häusern wie diesem verprassen.« Mit einem ermutigendes Lächeln steckte er sie wieder fort. »Nun wissen Sie, wer ich bin. Erzählen Sie mir nun etwas über sich selbst?«
    »Mein Vater ist Brite, meine Mutter war Chinesin«, sagte sie, bemüht, ihre Aufgeregtheit zu überspielen. »Sie sind der erste Engländer, den ich kennenlerne! Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie so anstarre.«
    »Es sei Ihnen vergeben. Wir starren einfach einander gegenseitig an …

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