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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Vögel im Hain verloren ihre Lieder. Ein Schatten fiel auf den See, schwarz wie Öl, und verschluckte ihre vollkommene Welt. Sie stand an der Kante, noch in Sicherheit, gebannt von der Bedrohung. Gift kroch wie Säure, verschlang die zarte Spitze aus Flechten auf dem Boden. Sie war barfuß, hatte die Füße eines Kindes, fest verwurzelt mit dem Felsen, verbunden mit seinen verborgenen Kräften, während sie sprangen und flogen, herumwirbelten und sich drehten, eins mit der Luft. Die Stimme Abt Xoom-Sais sprach klar und ruhig zu ihr, sagte ihr, die Stellung zu halten, erinnerte sie, dass alle Dinge lebten und mit dem Weg des Tao eins waren, dass deren Energie ihre Energie war, deren Stärke ihre Stärke.
    Zunächst waren die Träume kurz, und die Schwärze, die sich langsam auf sie zubewegte und dann wie die Gezeiten eines schwarzen Meeres wieder zurückwich, leicht zurückzutreiben. Mit jedem geschulten Muskel ihres Körpers klammerte sie sich an die sichere, sonnengewärmte Oberfläche des Felsens. Als würde sie ihre Macht spüren, zog sich die ölige Masse wieder zurück, schrumpfte und verwandelte sich in die glitzernden Windungen von yan-jing-shi .
    Sing sah das giftige Weiß ihres Bauches gegen die gallegrünen Schuppen, die sich vor ihr erhoben. Noch eine Stimme erreichte sie … die Stimme eines Jungen, rau vor Ungeduld, ein Mann zu werden. »Schau! Ich habe den Fuß gut gezähmt … schneller und tödlicher als die Königin aller Schlangen.« Sie sah die schnalzende gespaltene Zunge der Schlange, das Giftpilzgelb ihres aufgerissenen
Mauls, die blutverschmierten Kiefer des Hirtenjungen, während er den speerförmigen Kopf von dem sich heftig windenden Körper riss. »Du verdankst mir dein Leben, Roter Lotus. Vielleicht fordere ich es eines Tages ein.«
    Unvermittelt, wie von einer Nadel gestochen, wachte Sing dann auf, mit weit aufgerissenen Augen und Sinnen so scharf wie die Klinge eines Scharfrichters. Ah-Keungs Worte verweilten in der Dunkelheit, und der Fels unter ihren herumwirbelnden Füßen war hart und kalt. Die Träume kamen jede Nacht - umzingelten sie, kalt wie der Tod gegen ihre Füße, saugten das Chi aus ihren Beinen, bis sie taub wurden und sie die Verbindung zu dem Felsen nicht länger spüren konnte. Sie befand sich wieder in dem Taifun, war den Regengüssen und heulenden Winden ausgesetzt, sah Rubins blutverschmiertes Gesicht, ihre angeklatschten Haare und die angstvollen Augen, die sie anblickten, während sie einander umarmend in die Dunkelheit stürzten.

    Ah-Keung schien in einem fensterlosen Raum vor einem Altar zu schweben. Die beiden gelben Flammen von den Kerzen regten sich nicht, beleuchteten das, was auf einem Tablett stand, während sich der Energische auf die Rache konzentrierte, die er einen Großteil seines Lebens mit sich herumgetragen hatte. Egal, wie viel dieses emporgekommene Mädchen gelernt hatte, die Künste des Schwarzeid-Wu hatten ihm mehr gezeigt.
    Die Kraft des schwarzen Tao verwandelte Nacht in Tag, Licht in Dunkelheit. Sie konnte Ruhe in Chaos verwandeln, den stärksten Verstand mit steten Tropfen aus der hübschesten Riechflasche vergiften. Sie konnte das tapferste Herz schwächen und verschlingen, eine menschliche Seele einfangen und in Besitz nehmen.
    Ah-Keungs Lippen bewegten sich lautlos, als er Worte von der aufgehängten Tafel vor ihm aufsagte, die nur er lesen konnte, da ihre Schriftzeichen schon längst in den Verliesen einer brutalen Vergangenheit untergegangen waren. Er war nackt. Das Kerzenlicht beleuchtete die verschlungene Tätowierung der zuschlagenden
Kobra, die sein Rückgrat hinaufkletterte und auf deren Kopf das Yin-Yang-Symbol falsch herum dargestellt war, auf seiner Brust der zähnefletschende Kopf eines angreifenden Tigers.
    Er verlor jegliches Empfinden für die Schwere, war in einen Zustand mentalen Schwebens versetzt. Auf dem Aschetablett, in die geschwärzten Reste eines brennenden Fluches gezeichnet, erschien ein einziges Schriftzeichen: Roter Lotus. Darüber ausgebreitet lagen die Haare seiner Feindin, leuchteten in den gelben Lichtknospen. Sein Körper bebte, als sie in Flammen aufgingen und dann zu nichts verkohlten. Aus der Schwärze ringsum kam ein Windstoß, verwirbelte die Asche und löschte den Namen für immer aus.

    In Sings entsetzlichen Alpträumen bildete sich allmählich ein Lichtfleck. Die blasse Form näherte sich, bis sie mit klopfendem Herzen aufwachte, während Ah-Keungs Gesicht mit den goldumrandeten, lidlosen Augen

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