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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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aufragender Weiden ans Pier stieß, verwandelte die Sonne, die beinahe auf gleicher Höhe mit den Hügelspitzen stand, den Fluss gerade in ein Flammenband. Li-Xia kletterte als Erste vom Bug hinunter, da sie unbedingt an diesem Ort ankommen wollte, der sich so sehr von den düsteren Schatten der großen Tanne unterschied. Weit fort von den widerhallenden, mit Stein gefliesten Räumen und den schrillen Stimmen, der einsamen Düsterkeit des Reisschuppens und den flachen schlammigen Feldern des Gewürzguts, war sie geblendet von den flimmernden Laubhimmeln, von denen zarte Spiegelbilder wie Blumen zu ihren Füßen verstreut waren. Zwischen den tanzenden Lichtstrahlen spannte sie den gelben Sonnenschirm auf, nur um ihn von Yik-Munn fortgerissen zu bekommen.
    »Wo hast du denn so was her, das einen Schatten auf das Gesicht wirft, das zur Besichtigung so sorgfältig hergerichtet wurde? Wer hat dir erlaubt, dich unter einem Sonnenschirm in Pose zu werfen, der für Ehefrauen und Konkubinen gemacht wurde?« Er klappte ihn zu und warf ihn in den Fluss, wo er von der schnellen Strömung rasch davongetragen wurde. Schweigend folgte Li-Xia ihrem Vater die Anlegestelle entlang, an einem Trupp Jungen vorbei, die,
nackt bis zur Taille, Säcke und Körbe in die offene Klappe einer Flussdschunke luden. Einige hielten inne, um nach dem Mädchen in dem aprikosenfarbenen sam-foo zu schielen. Ihre dürren Körper waren schweißnass.
    Durch hohe scharlachrote Türen gelangten sie in einen riesigen Raum, dessen Wände mit schimmernden Stoffrollen knallbunter Seide ausgekleidet waren. Eine Reihe von Stühlen war entlang einer Seite aufgestellt, die einem Altar Yu-Huangs - des Jadekaisers - gegenüberlag, damit er jenen, auf die er niederlächelte, ein erfolgreiches Leben gewährleistete. Li-Xia kannte solch einen Gott nicht und fand wenig Trost in seinem aufgeschwemmten Bauch und seinem gierigen Lächeln. Vor dem Altar stand ein hoher Schreibtisch, auf dem sich ein geöffnetes Hauptbuch, ein Tuschstein, ein Bambusbehälter mit Pinseln und ein Abakus befanden. Dahinter stand ein hoher Holzschemel.
    Nachdem sie eine Weile schweigend gewartet hatten, währenddessen Yik-Munn nervös an den Zähnen saugend sich den Hut zurechtschob und viele Male sein Haar glättete, kam eine kleine, dicke Frau förmlich in den Raum gerollt. Ihr auf den Fersen folgte ein schweigendes Mädchen, das um die dreizehn, vierzehn Jahre alt sein mochte und mit einer Seidenschnur an ihr Handgelenk gebunden war. Die korpulente Frau war, wie Li-Xia ihr Vater schon hundertmal nervös zugeflüstert hatte, die allmächtige Ah-Jeh, eine ältere sau-hai- Schwester und Vorsteherin der Spinnerei.
    »In Anwesenheit solch einer ehrenwerten Person musst du wissen, wo dein Platz ist. Sprich nur, wenn du angesprochen wirst. Sie ist diejenige, die dich zu Großonkel Ming bringt, wenn du sie nicht verärgerst.«
    Ah-Jeh ging zu dem Schemel und hüpfte mit überraschender Behändigkeit darauf. Ihre kurzen Beine und breiten Füße hingen Zentimeter über dem Boden. Dann betrachtete Ah-Jeh Li-Xia mit einem Blick, mit dem man die Frische eines Fischs abschätzte. Sie war mit einer schwarzen tzow angetan, einer Tunika mit hohem Kragen und weiten Hosen aus wasserdichtem Köper, der wie ein
Krähenflügel glänzte und leise raschelte, wenn sie sich bewegte. An ihrem Hängebusen war mit einer Nadel ein großes, weißes Taschentuch befestigt.
    Ihr eingeöltes Haar war aschfarben, zurückfrisiert wie ein Scheitelkäppchen und mit einem einfachen Holzkamm zu einem hübsch geschlungenen Dutt zusammengefasst. Durch das strenge Zurückkämmen schimmerte es wie Metall. An ihrer Schläfe pochte gut sichtbar der dunkle Wurm einer Ader, um ihren kurzen Hals hing an einer dünnen Goldkette ein dunkler Jadeanhänger in Tränenform.
    Ihr fleischiges Gesicht war bearbeitet und gepudert worden, bis es so weiß wie ein Mondkuchen war. Ihre dichten Brauen waren erwartungsvoll hochgezogen. Dünne, missbilligende Lippen, rot bemalt wie eine frische Wunde. Flache, wächserne Augenlider lagen über Augen, die so schwarz und unnachgiebig waren wie vergossener Sirup. Sie hüpft auf ihren Schemel wie eine Krähe auf einen Misthaufen . Li-Xia hatte gelernt, solche Dinge mit ausdrucksloser Miene festzustellen. Es war, hatte sie entschieden, die Stimme ihres Herzens.
    Das Mädchen hinter der Vorsteherin Ah-Jeh, das in derselben öligen Schwärze gekleidet war, trug einen eingerollten schwarzen Sonnenschirm und einen

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