Die Tochter der Konkubine
kaum einen Blick darauf und rümpfte die Nase. »Das sind die Hände einer Entenhüterin. Glauben Sie bloß nicht, Sie könnten mit solch einer Trickserei auch nur eine Münze mehr herausschlagen.«
Yik-Munn ließ die Hände fallen und schlurfte mit gesenktem Haupt zurück.
»Werde ich denn auch lesen lernen? Wird mein Großonkel mir das Lesen beibringen?« Li-Xia erschrak über die eigenen Worte.
Ein weiterer boshafter Schubser von Yik-Munn hätte sie beinahe zu Fall gebracht.
»Verzeihen Sie. Eine törichte Idee, nichts weiter«, stammelte er. »Sollte sie dergleichen noch mal ansprechen, Ehrenwerte Vorsteherin, bitte ich Sie, sie dafür zu bestrafen!«
Wieder sprach Li-Xia, ohne an mögliche Folgen zu denken. »Meine Mutter wohnt auf dem Mond, und wenn er am hellsten strahlt, wird sie zu einem weißen Fuchs und erwartet mich im Ingwerfeld. Sie wird mir das Lesen und Schreiben beibringen. Ich werde eine Gelehrte werden. Keiner wird mich daran hindern!«
Der Weidenstock fuhr schneller über ihre Schulter als eine Flamme. Zunächst war das Geräusch stärker als der Schmerz. Li-Xia rührte sich weder noch schrie sie, als er wie kochendes Öl über ihren Rücken zischte.
Yik-Munn packte sie am Arm und schüttelte sie heftig, und als er seine Entschuldigungen stotterte, war sein Gesicht rot vor Zorn. »Dieses Kind hat eine blühende Fantasie, aber das sind nur törichte Hirngespinste, die man leicht in den Griff bekommt.«
Die Vorsteherin Ah-Jeh sah nicht überzeugt aus. »Stimmt es, dass sich ein Fuchs an dieses Kind herangemacht hat und sein Geist in sie gefahren sein könnte?«, murmelte sie. »Ich habe gehört, Ihre ältere Schwester sei vom Bösen in ihrem Auge niedergestreckt worden. Sollte dies der Fall sein und unser Herr fände es heraus, dann würde er sie zu Ihnen zurückschicken und Rückzahlung fordern, samt einem Betrag für die Kosten Ihrer Täuschung. Wir können in Zehn Weiden keine Dämonen gebrauchen.«
»Meine Schwester war alt und ihr Herz schwach, es war an der Zeit, dass sie sich zu ihren Ahnen gesellte«, protestierte Yik-Munn.
Li-Xia meldete sich erneut. »Ihre Lotusfüße waren verfault wie Steckrüben im Frost. Die konnte man schon auf der Treppe riechen.«
Yik-Munn widersprach unter vielen Verbeugungen. Er versicherte der Vorsteherin, dass die Priester befunden hatten, Li-Xia sei von Geistern gereinigt, doch zahlte er Ah-Jeh eine gewisse Summe für ihr Stillschweigen. Der sung-tip wurde eilig unterschrieben und das Geld mit viel Getue gezählt. Ein Eintrag wurde ins Hauptbuch gemacht, und das große Siegel von Zehn Weiden besiegelte den Vertrag mit dem widerhallenden Geräusch eines stampfenden Fußes. Dann wurde das Hauptbuch zugeschlagen, und Ah-Jeh wandte ihre ganze Aufmerksamkeit dem Kind vor ihr zu.
»Zieh diese feinen Sachen aus. So was kannst du hier nicht gebrauchen«, schnauzte sie.
Widerstrebend tat Li-Xia, wie geheißen, und knöpfte die hübsche Jacke auf. Wieder krachte die Weidenrute auf das geschlossene Hauptbuch.
»Beeil dich, Mädchen! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
Die Vorsteherin machte eine ungeduldige Handbewegung zu Yik-Munn hin.
»Ziehen Sie sie aus! Warum kleiden Sie sie wie eine Neujahrspuppe? Ohne die Lotusschuhe ist sie einfach nur ein Bauernmädchen wie jedes andere - nehmen Sie die Sachen wieder mit, oder sie werden verbrannt.«
In nervöser Eile zog Yik-Munn ihr die bestickte Jacke und die Hose aus, bis sie in Baumwollschlüpfern dastand.
»Den Rest auch. Sie wird die Kleidung der mui-mui tragen und sonst gar nichts.«
Ein paar Augenblicke lang musste Li-Xia nackt vor der Vorsteherin stehen, und sie bedeckte sich unsicher. Zum ersten Mal verspürte sie echte Angst, doch ging damit noch größerer Zorn einher. Sie fragte ihr Herz, was sie tun solle, aber es gab ihr keine Antwort.
»Heb die Arme und dreh dich herum!«
Als sie sich nicht rührte, packte sie ihr Vater an der Schulter und drehte sie mal so und mal so herum.
»Ich sehe, dass Sie sie nicht geschlagen haben. Sie hat keine Narben und wirkt wohlgenährt.«
Yik-Munn lächelte albern und verbeugte sich dankbar angesichts dieses Kompliments. »Eingedenk dieses Tages haben wir sie mit großer Sorgfalt behandelt.«
Ah-Jeh schnaufte. »Das ist zweifelsohne das Problem. Das muss ihr zu Kopf gestiegen sein, diesem Bauernmädchen, das eine Gelehrte werden möchte.«
Ah-Jeh schwang ihre Weidenrute in Richtung ihrer Assistentin. »Kleide sie an und gib ihr die Sachen, die sie
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