Die Tochter der Konkubine
Bett eine Buchspitze hervorlugte. Er hob es auf und war einen Augenblick so still, dass sie sich fragte, ob er ihre Frage verstanden hatte. Als er sprach, war jedes Wort eine kalte Anklage. »Was tust du damit? Woher hast du das?« Sie zögerte, schreckte vor seinem Zornausbruch zurück, als er ihr Bett zur Seite trat, um weitere fest zusammengerollte Schriftstücke und einzelne Blätter ihrer kopierten Wörter aufzudecken. Er zog sie hervor und zerriss und zerfetzte alle.
»Du widersetzt dich mir und spuckst auf meine Güte! Diese Papiere sind alt und voller Unsinn: Die taugen nur als Heim für Küchenschaben.« Er schleuderte sie in ihre Richtung. »Heute wirst du Großonkel Ming besuchen … da brauchst du solch einen Unsinn nicht!«
Er packte sie am Kiefer und zwang sie, ihm direkt in die Augen zu sehen. »Erwähne so etwas in Zehn Weiden nie - hast du mich verstanden?«
Sein Daumen, dachte Li-Xia, ist so groß wie eine Suppenkelle, aber seine Augen sind die eines müden alten Hundes.
Ehe sie etwas sagen konnte, das ihn innehalten ließ, hatte er die restlichen Schriftstücke aufgehoben, ging nun davon und knallte die Tür hinter sich zu. Vom Fenster aus beobachtete sie, wie er die wertvollen Seiten auf den Misthaufen neben dem Büffelstall warf und ihn anzündete. Die Blätter hoben sich wie Laub im Wind, schwebten davon und verschwanden.
Nummer Eins nickte weise, als sie erfuhr, wie listig die Fuchsfee sie alle getäuscht und versucht hatte, sich selbst das Lesen beizubringen. Yik-Munn wurde rasch gebadet und neu eingekleidet, dann wurde ihm zur Beruhigung seiner Nerven Swatau-Tee gereicht. Wie tapfer er gewesen war, dass er diese Angelegenheit allein durchgestanden hatte, und wie klug er war, dass er sich darum bemühte, dass dieses unheilvolle Wesen an diesem Tag auf Nimmerwiedersehen das Gut verließ.
Für die Reise zum Seidengut Zehn Weiden legte Yik-Munn seine feinsten Kleidungsstücke an - einen pflaumenfarbenen Anzug aus Shantzung-Samt und seinen offiziellen hohen, golden besetzten Hut. Der Präfekt sollte nicht denken, dass seine Tochter aus einer armen und unbedeutenden Familie stammte, sonst wäre der Preis vielleicht noch weiter gesunken. Seine Frauen hatten keinen Aufwand gescheut, um ihn wie den vermögenden Mann schlechthin aussehen zu lassen. Als Geschenk für Ming-Chou hatte er eine Schatulle mit seltenen Gewürzen dabei.
Li-Xia ging - in sicherer Entfernung - hinter ihm her zur Mole und nach vorn auf den Sampan. Warum hatte er ihr die Schriftstücke weggenommen und sie verbrannt? So etwas Schreckliches konnte sie ihm nicht verzeihen.
Während sie beobachtete, wie Lotusblüten vorbeitrieben, tröstete sie sich mit dem Gedanken an ihre wenigen übrig gebliebenen
Geheimnisse. Unter ihren neuen Kleidungsstücken verborgen und flach an ihr Herz gedrückt befand sich das Buch, das sie in seinem Versteck aufbewahrt hatte, die Geschichte der Mondfrau, an die man sich durch die Niederschrift ihrer Mutter immerdar erinnern würde. Genauso wertvoll war der Jade-Handschmeichler mit den orangefarbenen Adern, der sorgfältig in den Saum ihres sam-foo eingenäht war und nicht mehr wog als ein junger Frosch.
Diese großen Geheimnisse halfen ihr dabei, den Anblick der Schriftstücke zu vergessen, wie sie unter einer Wolke gelben Rauchs schwarz geworden waren. So lange diese Dinge in Sicherheit waren, fühlte sie auch sich beschützt. Sie fragte sich, wer dieser reiche Onkel sein mochte und ob er sich freuen würde, sie zu sehen. Noch nie hatte sie sich so hübsch gefühlt wie an diesem Tag. Der aprikosenfarbene sam-foo stand ihr gut, und die Frauen hatten ihr das Haar frisiert und ihre Wangen mit Rouge betupft, bis sie so rosig wie ein Apfel waren. Ihr Mund war sorgfältig so rot wie ein Rosenblütenblatt bemalt worden, und ihre Wimpern und Augenbrauen waren schwarz wie Tinte. Die Frauen waren netter zu ihr als je zuvor, doch der Gedanke, weit fort vom Gewürzgut zu gehen, erfüllte sie mit grimmiger Entschlossenheit: Niemals würde sie zu dem Reisschuppen und seinen Behältern mit eingelegten Schlangen und den rosafarbigen Mäusebabys zurückkehren.
Als alles getan und sie reisefertig war, kehrte Nummer Drei mit einer gelben Wasseriris zurück, die sie ihr ins Haar steckte, und mit einem wunderschönen Geschenk. Es war ein Sonnenschirm, der, wenn man ihn aufspannte, so hellgelb aufblühte wie die Iris auf einem grünen Bambus. Ah-Su hatte den Augenblick genutzt, als die anderen damit beschäftigt
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