Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
hinab. »Du hast mich beobachtet.«
»Ich habe dich gefragt, was du hier zu suchen hast, Mädchen«, wiederholte Edith. »Das hier ist die Küche. Gäste haben hier nichts verloren. Wir haben viel Arbeit.«
Seltsam: Katharina hatte das sehr sichere Gefühl, dass das ganz und gar nicht das war, was Edith wirklich sagen wollte. Esfiel ihr immer schwerer, dem Blick der älteren Frau standzuhalten.
»Deshalb … hat mich der Herr geschickt«, antwortete sie stockend. »Ich soll … euch helfen.«
»Ich wüsste nicht, was du hier tun kannst«, sagte Edith, wie es ihr vorkam, in bewusst unfreundlich-ruppigem Ton. »Die Arbeit hier ist schwierig und viel zu anstrengend für ein Kind.«
»Guy de Pardeville hat es mir aber aufgetragen«, beharrte Katharina. »Warum hast du mich beobachtet?«
Den zweiten Satz ignorierte Edith. »Du sollst hier helfen? Was ist denn das wieder für ein Unsinn? Das hier ist keine Arbeit für ein Kind!« Allerdings schnitt sie Katharina mit einer harschen Geste das Wort ab, als sie antworten wollte. »Aber wenn es der Wunsch unseres Herrn ist, dann soll es mir recht sein. Komm mit. Es wird sich schon etwas finden, womit du dich nützlich machen kannst.«
Was natürlich überhaupt kein Problem für sie darstellte. Allerdings nahm sich Katharina schon nach kurzer Zeit vor, sich bei passender Gelegenheit eingehend mit Edith über die genaue Bedeutung des Begriffes nützlich machen zu unterhalten. Sie kam kaum dazu, richtig Luft zu holen oder zwischendurch einen Schluck Wasser zu trinken, geschweige denn sich in Ruhe mit der geheimnisvollen Dienerin zu unterhalten, wie sie sich eigentlich fest vorgenommen hatte. Edith trug ihr auf, Wasser zu holen, Töpfe und Tiegel mit feinem Scheuersand zu reinigen und Gemüse zu putzen, den Bratspieß zu drehen und Holz ins Feuer zu schichten, und das alles am besten gleichzeitig (zusammen mit ungefähr zwei Dutzend anderen Dingen), und ganz egal, wie viel Mühe sie sich gab und wie sehr sie sich beeilte, nichts war ihr gut und vor allem nicht schnell genug. Schon bald war sie in Schweiß gebadet, und es war noch keine Stunde vergangen, ehe sie es bitter bereute, Pardevilles Angebot angenommen zu haben und hierhergekommen zu sein. Katharinawar schwere Arbeit gewohnt, so lange sie sich erinnern konnte, aber Edith und nach und nach auch die anderen Frauen trieben sie so unbarmherzig an, als hätten sie insgeheim Wetten abgeschlossen, wie lange es dauerte, bis sie endgültig zusammenbrach.
Gerade, als sie meinte, dass es nun so weit war, legte Edith ihr die Hand auf die Schulter und bedeutete ihr mit einer Geste, eine Pause zu machen. Katharina war selbst zu müde, sich zu einem dankbaren Lächeln zu zwingen. Sie deutete nur ein Nicken an, schlurfte mit hängenden Schultern zum Fenster und lehnte sich minutenlang mit halb geschlossenen Augen auf die niedrige Brüstung, um tief ein- und auszuatmen. Müdigkeit ließ ihre Glieder so schwer wie Blei werden, und einen Moment lang musste sie tatsächlich ihre ganze Willenskraft aufbieten, um nicht im Stehen einzuschlafen. Edith hätte das gewiss nicht gefallen, und wahrscheinlich hätte sie es nur zum Anlass genommen, ihre eine neue und noch härtere Strafarbeit zu geben.
Nach einer Weile wurde es besser. Die frische Luft half, und ihre Hände und Knie hörten auf zu zittern. Gerade wollte sie sich vom Fenster abwenden, als sie unten auf dem Hof eine Bewegung wahrnahm. Reiter kamen durch das äußere Tor herein, drei, vier, schließlich ein halbes Dutzend bunt gekleideter Gestalten, die sich hintereinander der Brücke näherten und schließlich davor anhielten, um eine schnurgerade Linie zu bilden. Sie waren auffällig gekleidet und ausnahmslos bewaffnet, und von ihrem Anblick ging eine spürbare Bedrohung aus. Zugleich umgab sie etwas seltsam Vertrautes, obwohl Katharina ganz sicher war, keine der sechs Gestalten jemals zuvor gesehen zu haben.
Dann sah sie etwas, das sie sehr wohl kannte: Auf der Schulter eines der Männer saß eine winzige Gestalt, fast wie ein absurd kleiner Mensch, der dunkles Fell und ein helles Gesicht hatte.
Erschöpfung und Ärger waren auf der Stelle vergessen. Katharina fuhr herum und eilte zum Ausgang. Jemand rief ihren Namen, und sie sah aus den Augenwinkeln, wie Edith plötzlich ebenfalls loseilte, um ihr den Weg abzuschneiden, und beschleunigte ihre Schritte, sodass sie die Tür vor ihr erreichte. Draußen auf dem Gang begann sie zu rennen.
Schritte und aufgeregte Stimmen
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