Die Tochter der Suendenheilerin
grober Klotz sein, aber er konnte es sich nicht erlauben, sein Ansehen gänzlich zu verlieren, vor allem, da sie in Begleitung des Paters erschienen war.
Während die beiden Mägde das Turmzimmer wohnlich gestalteten, rief Lena nach ihrem kleinen Hund Pablo. Sie hatte ihn in einem Tragekorb auf dem Packpferd mitgenommen, um mit ihm die Burg zu durchstreifen. Sie erinnerte sich noch gut an Philips Worte und sein erstauntes Gesicht, als sie erwähnte, dass sie den Hund mitnehmen wolle.
»Du solltest lieber Sachmet fragen, ob sie dir Nebet anvertraut. Die Gepardin würde den Regensteinern wenigstens Respekt einflößen.«
»Unsinn, ein kleiner Hund ist viel wirkungsvoller, glaub es mir!«
Philip hatte daraufhin keine Einwände mehr erhoben – er vertraute ihr rückhaltlos.
Ihr erster Weg führte sie zur Wachstube.
»Meine Herren«, sprach sie die Waffenknechte an, »ich wünsche zu erfahren, wo sich mein Sohn und meine Tochter aufhalten.«
Die Männer starrten sie verwirrt an.
»Rudolf und Meret von Birkenfeld«, ergänzte sie ihre Frage.
»Wahrscheinlich im Kaminsaal bei den Weibsleuten«, stieß ein jüngerer Bursche gelangweilt hervor.
»Besten Dank. Und wie gelange ich zum Kaminsaal?«
»Immer dort entlang.« Der Wächter machte eine unbestimmte Handbewegung.
»Das ist keine hinreichende Auskunft. Hätte jemand die Güte, mich hinzuführen?«
»Nicht unsere Aufgabe.«
»Nein, aber es wäre ein Zeichen der Ritterlichkeit. Also?«
Noch während sie sprach, lief Pablo schwanzwedelnd in der Wachstube umher und schnüffelte an den Stiefeln der Männer. Lena folgte dem Hund mit den Blicken. »Es wäre ratsam, einer von Euch würde mich sofort begleiten, bevor Pablo sein Revier markiert.«
»Schafft uns den Köter vom Hals!«
»Senkt sofort den Fuß!«, rief Lena. »Wehe, Ihr wagt es, ihn zu treten!«
»Was sonst?«
»Sonst werde ich in den kommenden beiden Stunden in dieser Wachstube lautstark um Vergebung für Eure bösen Taten beten.«
Für eine Weile herrschte Schweigen. Nur Pablos Schnüffeln und das Tappen seiner kleinen Pfoten auf dem steinernen Boden waren zu hören.
»Nun zeig ihr schon den Weg!«, brummte einer der Wächter und stieß den Mann an, der Pablo gedroht hatte.
Widerwillig folgte dieser der Aufforderung.
»Habt Dank für Eure Freundlichkeit.« Lena lächelte, rief nach Pablo und folgte dem Waffenknecht aus dem Turm in die Hauptburg.
Schon von Weitem vernahm Lena fröhliches Gelächter. Und sie hörte noch etwas. Rudolfs Stimme. Noch konnte sie nicht verstehen, was er sagte, aber er musste die Damen wohl meisterhaft unterhalten, denn jedem Innehalten seiner Worte folgte weibliches Gelächter. Ob das Feuer alsbald die Herrschaft in ihm übernehmen würde? Leise Besorgnis schlich sich in ihr Herz. Rudolf war ein ausgezeichneter Gesellschafter, bevor das Feuer gänzlich Besitz von ihm ergriff. Doch wenn es geschah, kostete es viel Geduld, seine Gegenwart zu ertragen und seinem Redeschwall zu folgen. Zudem bedurfte es großer Entschlossenheit, ihn von den unsinnigsten Handlungen abzuhalten, zu denen ihn die schiere Selbstüberschätzung verleitete.
»Wir sind da«, brummte der Waffenknecht und stieß die Tür auf, ohne vorher anzuklopfen. Lena runzelte die Stirn. Mit den Manieren stand es auf Burg Regenstein wahrhaftig nicht zum Besten. Nun gut, das würde sie ändern.
Das Gelächter verebbte, und neugierige Köpfe wandten sich zur Tür.
»Mutter!« Meret sprang als Erste auf und lief ihr entgegen. Lena schloss ihre Jüngste in die Arme und drückte sie fest an sich.
Inzwischen war auch Rudolf auf sie zugekommen. Ein Blick in seine Augen genügte. Das Feuer loderte. Noch war es kein Brand, und wer ihn nicht kannte, bemerkte vermutlich kaum etwas. Lena wusste jedoch, dass er in diesem Zustand keine ausreichende Selbstbeherrschung mehr besaß und sein Herz auf der Zunge trug. Und nicht nur das Herz …
»Ist die Fehde vorüber?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte Lena. »Ich kam, um Graf Ulf um eure Freilassung zu bitten, doch es zeigte sich, dass er mir gegenüber dasselbe ehrlose Verhalten an den Tag legte wie gegen dich, Rudolf.«
»Dann bist auch du seine Geisel?« Meret starrte ihre Mutter mit großen Augen an.
»Manch ein Bissen ist zu groß für einen Gierschlund«, flüsterte Lena ihrer Tochter zu. »Er wird sich daran verschlucken.«
Meret war verständig genug, das Augenzwinkern ihrer Mutter richtig zu deuten, doch Rudolf brauste auf.
»Dieser Hund! Soll ich ihn mir
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