Die Tochter der Suendenheilerin
»Wenn wir den Boten kennen, reißt du ihn zu Boden, ich greife schlichtend ein und helfe ihm auf die Beine. Und dabei vertausche ich die Futterale.«
Antonia sah die tiefe Falte, die sich zwischen den Brauen ihres Vaters bildete. Es gefiel ihm nicht, dass Alexander sich an dem Zwischenfall beteiligen wollte.
»Wenn ich ebenfalls mitkomme, wäre es vielleicht noch glaubhafter«, schlug sie deshalb vor. »Wer würde es uns verargen, in der Bischofsstadt um Segen für unsere Fehde zu beten?«
»Wenn ihr dabei erwischt werdet, spielt diese Fehde ohnehin keine Rolle mehr. Dann sind wir alle des Todes.«
»Philip, du solltest nicht schwarzsehen!« Begütigend legte Lena ihrem Gatten eine Hand auf den Arm. »Vor fünfundzwanzig Jahren hättest du ohne Zögern ebenso gehandelt.«
»Da trug ich auch noch nicht die Verantwortung für meine Familie und eine Grafschaft.«
»Ich weiß. Dennoch solltest du nachgeben. Sollte der Bote wirklich bemerken, dass Alexander die Futterale vertauscht hat, kann unser Sohn sich immer noch bedanken, dass der Mann so aufmerksam war und ihn vor einem schweren Irrtum bewahrte. Wer sollte ihm etwas Böses unterstellen?«
»Ich sehe schon, gegen die Weiberlist komme ich nicht an.« Philip seufzte.
»So soll es auch sein.« Lena lächelte ihn liebevoll an. »Und damit kommen wir zum zweiten Plan. Ich werde nach Burg Regenstein aufbrechen.«
»Nach Regenstein?«, rief Alexander. »Aber Mutter, das ist doch Wahnsinn!«
»Nein, mein Sohn, ganz im Gegenteil. Trojanische Pferde sind wirksame Waffen«, entgegnete sie und erzählte von ihrem Plan, die Regensteiner heimzusuchen.
Als sie geendet hatte, waren alle Zweifel aus den Gesichtern der Zuhörer geschwunden.
»Frau Helena, Ihr beeindruckt mich.« Pater Hugo deutete mit dem Kopf eine anerkennende Verbeugung an. »Wenn Ihr es mir gestattet, würde ich Euch gern begleiten, um einer frommen Frau wie Euch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.«
»Und den Regensteinern das Sündigen zu verleiden?« Alexander grinste.
»So kann man sagen.«
»Wann willst du aufbrechen, Mutter?«, wollte Antonia wissen.
»In zwei Tagen. Morgen werde ich die letzten Vorbereitungen treffen. Und wann wollt ihr nach Halberstadt?«
»Das hängt davon ab, wann wir das gefälschte Dokument vollendet haben«, erklärte Alexander.
»Gebt mir drei Tage!«, bat Ritter Bertram, der bislang geschwiegen hatte. »Wenn ich ein gesiegeltes Dokument des Bischofs als Vorlage bekomme, dürfte es nicht allzu schwer sein, den Stil zu kopieren, das alte Siegel abzulösen und auf der Fälschung anzubringen.«
»Soll ich Euch ebenfalls begleiten?«, fragte Christian.
»Nein«, widersprach Philip. »Es genügt, wenn die Birkenfelder Gefahr laufen, als Hochverräter festgesetzt zu werden. Du bleibst hier und hilfst mir bei den Turniervorbereitungen.«
»Aber noch ist doch gar nicht sicher, ob tatsächlich ein Turnier abgehalten wird.« Christian war sichtlich enttäuscht.
»Wenn meine Frau sagt, dass es eines geben wird, dann wird es eins geben. Das ist so sicher wie die Morgenröte am Ende der Nacht.« Philip klopfte dem Sohn seines Freundes auf die Schulter und beschloss damit zugleich die Versammlung.
36. Kapitel
H err Graf!« Einer der Waffenknechte stürzte aufgeregt in den Rittersaal. Eberhard bemerkte das verärgerte Blitzen in den Augen seines Vaters. Seit Alheidis auf Burg Regenstein weilte, hatte sie sich den Kaminsaal zu eigen gemacht. Selbst Eberhards Mutter Irmela hatte sie bewogen, ihre Kemenate endlich wieder zu verlassen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Oder daran, was die Frauen dafür hielten. Lächerlicher Klatsch und Tratsch, der die Ohren eines jeden ernsthaften Mannes beleidigte. Wichtige Gespräche oder gar Pläne für erneute Angriffe auf die Fehdegegner waren zwischen Stickgarn, Knüpfrahmen und sonstigem Weiberkram nicht mehr möglich. Zweimal hatte Ulf die Frauen in Irmelas Gemächer zurückzuschicken versucht. Seine Aufforderungen waren jedoch geflissentlich überhört worden. Daher hatten die Männer sich mittlerweile dauerhaft in den Rittersaal zurückgezogen und zwei Waffenknechte vor der Tür aufgestellt, die ungebetenen Gästen den Zutritt verwehren sollten – vor allem, wenn sie weiblichen Geschlechts waren.
»Was gibt’s?«, fragte Ulf ungehalten, während er sich Wein nachschenkte.
»Gräfin Helena von Birkenfeld verlangt Euch zu sprechen.«
Beinahe wäre Ulf der Weinpokal aus der Hand gefallen.
»Gräfin Helena von
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