Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
Vom Netzwerk:
Unsinn!, schalt sie sich im Stillen. So wichtig bin ich ihm nicht. Dennoch traf ein winziger Stich ihr Herz. Vermutlich war sie ihm sogar lästig gefallen, als sie ihn am Vorabend des Überfalls immer wieder zu einem Gespräch hatte nötigen wollen. Sie seufzte. Warum konnte Christian ihre Gedanken nicht beflügeln und sie zum Träumen verleiten? Warum musste es ausgerechnet dieser wortkarge, manchmal sogar recht grimmige Stephan sein? Weil er ein Geheimnis barg? Weil er niemals lachte? Weil er nicht wie alle anderen um sie warb?
    Die Tür öffnete sich. Antonia trat rasch einen Schritt zurück, um den Eindruck einer zufälligen Begegnung zu erwecken. Doch es war nicht Stephan, sondern Witold, der das Haus verließ. Er grüßte sie beiläufig, dann eilte er zum Tor. Antonia war verwundert. So hastig hatte sie den Burghauptmann selten erlebt.
    Seine jüngste Tochter Ursel lugte hinter ihm aus der Tür, um dann beiseitezutreten und auch Stephan hinauszulassen. Antonias Herz schlug schneller, als er sie bemerkte und ihr einen guten Morgen wünschte. Nicht so beiläufig wie Witold, aber dann lenkte auch er seine Schritte in Richtung des Tors.
    »Herr Stephan!«, rief sie ihm nach. »Gibt es Ärger?«
    Er blieb stehen. »Ich glaube nicht.«
    »Warum eilen dann alle zum Tor?«
    »Seht selbst!« Er machte eine einladende Handbewegung, ihm zu folgen. Pepito lief schwanzwedelnd voraus.
    Eine seltsame Reisegesellschaft näherte sich dem Burghügel. Männer in weiten hellblauen Umhängen, die sich im Wind bauschten und einen Blick auf das gelbe Futter gewährten. Die meisten von ihnen trugen Turbane, vorwiegend weiß oder rot, wie Antonia sie nur aus den Erzählungen ihres Vaters aus dem Morgenland kannte. Sie zählte fünfzehn Reiter und vier Packpferde. Der vorderste Reiter trug einen weißen Turban, während das Haar seiner Begleiterin neben ihm offen im Wind flatterte. Mit weiten Beinkleidern saß sie wie ein Mann im Sattel, während unter dem Umhang ein locker fallendes, hemdartiges Gewand zu erahnen war. Dann jedoch entdeckte Antonia einen weiteren Mann, der sich der Spitze näherte. Im Gegensatz zu den übrigen Reitern war er wie ein Einheimischer gekleidet – in eng anliegende Beinlinge und einen dunkelblauen Bliaut. Darüber trug er einen gewöhnlichen Reisemantel, wie ihn Antonias Brüder und ihr Vater besaßen. Allerdings hatte der Fremde ebenso schwarzes Haar wie die junge Frau – und vermutlich auch die übrigen Reisenden unter ihren Turbanen.
    »Wer sind diese Leute?«, fragte sie Stephan.
    Der hob nur die Schultern. Plötzlich gewahrte Antonia eine gefleckte große Raubkatze, die den Reitern folgte. War das gar ein Leopard? Sie erinnerte sich an die Wappen einiger Ritter, die einen Leoparden zeigten. Ein gefährliches Raubtier, doch es lief friedlich wie ein Hund zwischen den Pferden umher.
    Weitere Schritte. Antonia wandte sich um. Ihr Vater und Alexander waren zum Tor gekommen.
    »Weißt du, wer das ist?«, fragte sie ihren Vater.
    Zum ersten Mal seit Tagen löste sich die Anspannung in seiner Miene, und er lächelte.
    »Ich habe lange keinen Brief mehr aus Ägypten erhalten. Vermutlich hat der letzte sein Ziel nicht erreicht.«
    »Du meinst, es sind Verwandte aus Ägypten?«
    Ihr Vater musterte die vorderen Reiter. Das Lächeln vertiefte sich.
    »Ich habe ihn zwar noch nie gesehen, aber ich bin sicher, dass der junge Mann mit dem weißen Turban mein Neffe Karim ist. Er hält sich genau wie Said im Sattel.«
    »Und der in der abendländischen Kleidung?«
    Philip kniff die Augen zusammen, als müsse er die Unschärfe seines Blicks ausgleichen, um den Fremden genauer betrachten zu können.
    »Das könnte Donatus sein«, sagte er dann. »Wenn er es so hält wie ich bei meiner ersten Reise und die Kleidung der Franken bevorzugt.«
    »Dein geschenkter Halbbruder?« Antonia zwinkerte ihrem Vater zu. Er lachte, denn Donatus hieß nicht umsonst das Geschenk. Schließlich war seine Mutter bei seiner Geburt bereits fünfundvierzig Jahre alt gewesen.
    Philip wandte sich an seinen Sohn. »Alexander, würdest du deine Mutter und Bertram holen?«
    Alexander nickte und verschwand.
    »Was ist das für ein Gefühl?« Antonia betrachtete ihren Vater von der Seite. »Zum ersten Mal deinen Bruder zu sehen, der jünger ist als dein eigener Sohn?«
    »Ich hoffe, er hat nicht so viel Unsinn im Kopf wie ich in dem Alter. Und ich bin neugierig, ob er auch etwas von Guntrams Wesen in sich trägt. Ich würde es seinem Vater

Weitere Kostenlose Bücher