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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Familien herrscht, Herr Rudolf?«
    »Mir sind die Hände gebunden – ich gab mein Wort, nicht zu fliehen.«
    »Ist Euch das nicht schwergefallen?«
    Sie sprach diese Frage im Ton harmloser Plauderei aus, vielleicht nur aus Höflichkeit. Dennoch traf sie Rudolf völlig unvermittelt an jenem Punkt seiner Seele, den er so verzweifelt vor der Dunkelheit zu schützen suchte.
    »Hat es überhaupt Sinn, gegen das Schicksal aufzubegehren?«
    Sie sah ihn verwirrt an. »Bei unserer ersten Begegnung kamt Ihr mir vor wie ein Mann, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt.«
    »Es gibt Zeiten, in denen das zutrifft.«
    »Aber hier und heute ist nicht diese Zeit?« Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen.
    »Was erwartet Ihr, Fräulein Sibylla? Ihr habt mir doch selbst gezeigt, wie vergebens ein Fluchtversuch wäre. Zudem habe ich an das Wohl meiner kleinen Schwester zu denken.«
    »Möchtet Ihr, dass ich Euch dabei helfe?«
    »Wie stellt Ihr Euch das vor?«
    »Nun, es scheint mir nicht ratsam, wenn ein Mädchen allzu lange ohne weibliche Hand lebt. Ich könnte meinen Vater bitten, mich ihrer annehmen zu dürfen. Sagt, Herr Rudolf, woran hat Eure Schwester Freude? Sind es Handarbeiten? Ist es erbauliche Literatur?«
    »Sie hat ein Geschick für feine Stickerei, und unsere Mutter hat sie in die Grundzüge des Teppichknüpfens eingeweiht.« Er lächelte. »Ein Erbe von Merets Großmutter, deren Namen sie trägt. Unsere Mutter lernte die Kunst des Teppichknüpfens in Ägypten von ihrer Schwiegermutter.«
    »Ich habe selbst eine Schwäche für das Wirken von Wandteppichen. Wollt Ihr sehen, woran ich gerade arbeite?«
    Er nickte, dankbar für die Ablenkung. Sibylla erhob sich und begab sich in eine Ecke ihrer Kemenate, um kurz darauf mit einer zierlichen Handarbeit zurückzukommen. Obwohl das Bild noch unvollendet war, konnte Rudolf dennoch erkennen, dass es die Heilige Familie im Stall zu Bethlehem zeigte.
    »Ihr seid sehr geschickt, Fräulein Sibylla. Jedes Gotteshaus wäre dankbar, wenn seine Altäre mit solcher Kunst geschmückt würden.«
    »Und Ihr seid ein Schmeichler.« Sie lachte. »Ich habe mir vorgenommen, die ganze Lebensgeschichte des Heilands in kleinen Bildern zu erzählen, und wenn das letzte gewirkt ist, alle zu einem großen Wandbehang zusammenzunähen. Vermutlich werde ich darüber alt und grau.«
    »Frauen wie Ihr werden niemals alt, sie werden reif und würdevoll, und die Männer verehren sie nicht nur für ihre Schönheit und ihren Liebreiz, sondern auch für ihre Klugheit und Güte.«
    Sibylla räusperte sich. »Nun endlich weiß ich, was mein Vater mit den Silberzungen der Birkenfelder meinte.«
    »Ich hoffe, ich bin Euch nicht zu nahe getreten.«
    »Nein, natürlich nicht.« Sie errötete. »Es waren sehr schöne Worte.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Rudolf betrachtete Sibylla, die den Blick auf ihre Handarbeit gesenkt hielt und deren Wangen noch immer glühten.
    »Erweist Ihr mir die große Gefälligkeit und nehmt Euch meiner Schwester an?«, brachte er schließlich hervor.
    »Sehr gern, wenn Euch das einen Schatten von der Seele nimmt.«
    Rudolf zuckte zusammen. Hatte sie es bemerkt? Doch sie lächelte ihn freundlich an, ahnungslos, wie genau ihre harmlose Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte …

 11. Kapitel  
    D er Pfingstmontag begann mit strahlendem Sonnenschein. Das Gesinde ging nur den notwendigsten Verrichtungen nach, denn dieser Tag gehörte ihnen. In früheren Jahren war Antonia oft mit ihrem Vater oder den Brüdern a usgeritten, doch nun, da die Fehde verkündet war, stand ihr nicht der Sinn danach. Ziellos streifte sie mit ihrem Hündchen Pepito durch die Burg. Der weiße Bologneser lief schnüffelnd umher, begrüßte die großen Jagdhunde mit fröhlichem Gekläff, so als wäre er einer der Ihren, und wurde ebenso freundlich begrüßt. Antonia lächelte. Hunde nahmen das Leben wesentlich leichter. Es scherte sie nicht, ob der Artgenosse sich von ihnen unterschied oder gar einer anderen Rasse angehörte. Wären die Menschen doch nur genauso verständig!, dachte sie.
    Irgendwann fand Antonia sich in der Vorburg wieder, zwischen den Hütten der Handwerker und des Gesindes. Und in der Nähe Stephans … Erst nachdem sie vor Witolds Haus stand, begriff sie, warum sie hier war. Die ganze Zeit schon galten ihre Gedanken Stephan, immer wieder schlich er sich in ihre Seele. Doch seit Merets Entführung war sie ihm nicht mehr begegnet. Ganz so, als ginge er ihr aus dem Weg. Welch ein

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