Die Tochter der Suendenheilerin
noch, sie war ihm in den dunklen Tagen ebenso wie Meret zu einer wichtigen Stütze geworden. Einige Male hätte er ihr um ein Haar gestanden, was er für sie empfand. Doch noch fehlte ihm der Mut, denn ein solches Geständnis würde alles verändern …
Tante Alheidis’ Worte holten ihn zurück in die Gegenwart.
»So, Ihr liegt also in Fehde mit meinem Schwager Eberhard.« In ihren Augen blitzte es noch immer keck.
»Was blieb meinem Vater anderes übrig? Kennt Ihr den Grund, Frau Alheidis?«
»Der gute Eberhard hat sich darüber ausgeschwiegen, aber Sibylla hat mir erzählt, dass er ein Auge auf Eure Schwester geworfen hat und zutiefst gekränkt war, als Euer Vater ihn zu alt nannte.« Sie lachte ein wenig lauter, als es für eine vornehme Frau ziemlich gewesen wäre. Rudolf fühlte sich zunehmend von ihr eingenommen.
»In der Tat«, gab er zu. »Mein Vater war doch sehr verwundert über Herrn Eberhards Ansinnen, zumal unsere Familien sich seit Generationen nicht sonderlich wohlgesinnt sind.«
»Warum eigentlich nicht?« Alheidis musterte ihn aufmerksam.
»Soweit ich weiß, begann es schon zu Zeiten meines Urgroßvaters«, antwortete Rudolf. »Die Regensteiner Grafen hatten sich das Lehen erhofft, doch der alte Otto von Birkenfeld erhielt Burg und Grafentitel, um ein Gegengewicht zum mächtigen Regenstein zu bilden. Und daran hat sich in all den Jahren nichts geändert. Zudem eignete sich die erste Begegnung meines Vaters mit Herrn Eberhard vor vierundzwanzig Jahren nicht gerade als Beginn einer Freundschaft, sondern besiegelte vielmehr eine innige Feindschaft.«
»Das müsst ihr mir erzählen! Ich habe eine Schwäche für alte Geschichten.«
»Es geschah während des Turniers, das unser verstorbener Lehnsherr, Herzog Leopold der Ältere, anlässlich der Verlobung seiner Tochter Mechthild ausrichten ließ. Mein Vater hatte allerdings nicht die Absicht, an dem Turnier teilzunehmen, er weilte aus anderen Gründen auf Burg Schlanstedt. In seiner Begleitung befand sich sein bester Freund Said, ein Araber.«
»Ich habe schon gehört, dass Euer Vater im Orient geboren wurde!«, rief Tante Alheidis aufgeregt dazwischen. Rudolf lächelte über ihre Begeisterung, dann fuhr er mit seiner Erzählung fort.
»Eberhard war damals ein Knappe von sechzehn Jahren und machte den Marktplatz unsicher, der rund um das Turniergeviert und die Tribünen errichtet worden war. Und als er Said sah, bereitete es ihm und seinen Kumpanen ein diebisches Vergnügen, ihn mit scharfen Lanzen anzugreifen und zu verwunden. Mein Vater stürzte sich dazwischen, schlug Eberhard zu Boden und verlangte von den herzoglichen Waffenknechten, die den Markt bewachten, sie sollten Eberhard festsetzen.«
»Ich nehme an, sie haben es nicht gewagt, weil er Ulfs Sohn ist.«
»So ist es. Mein Vater erzählte mir später, wie Ulf und Eberhard danach sehr großspurig auftraten und meinen Vater und Said beleidigten, indem sie es als hehre Tat darstellten, einen Andersgläubigen anzugreifen und zu verwunden.«
»Was tat Euer Vater?«
»Er nahm entgegen seiner ursprünglichen Absichten am Turnier teil und stieß Ulf so machtvoll beim Tjost aus dem Sattel, dass der eine ausgerenkte Schulter, ein gebrochenes Schlüsselbein und mehrere gebrochene Rippen davontrug und den Nimbus seiner Unbesiegbarkeit für immer verlor. Seither mögen sie sich noch weniger.« Rudolf grinste. »Mein Vater erzählte mir weiter, dass Ulf ihm kurz darauf noch einen Knüppel zwischen die Beine werfen wollte. Es ging darum, das Räuberlager des damals gefürchteten Räuberhauptmanns Barbarossa auszuheben. Ulf bestand darauf, dass Eberhard die Ritter begleiten sollte, weil er wusste, dass mein Vater sich über den aufsässigen Knappen ärgern würde. Aber auch da hielt das Schicksal die rechte Strafe für Eberhard bereit.«
Rudolf warf einen kurzen Blick zu Sibylla hinüber und bemerkte, dass sie gebannt an seinen Lippen hing, auch wenn er nur wenig Schmeichelhaftes über ihren Vater und Großvater zu berichten wusste.
»Man befahl Eberhard, die Pferde zu bewachen. Doch als die Ritter nach erfolgreicher Einnahme des Lagers zurückkehrten, fehlten mehrere Pferde, und Eberhard hing splitternackt und an den Füßen aufgehängt an einem Baum. Er hatte die Tochter des Räuberhauptmanns unterschätzt. Und ausgerechnet mein Vater und Johann von Hohnstein waren die Ersten, die ihn entdeckten und nicht mit Spott sparten.«
»Der arme Eberhard.« Tante Alheidis schmunzelte. »Kein Wunder,
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