Die Tochter der Suendenheilerin
die von Stephan. Nun gut, Stephan war immer wortkarg, bei ihm hatte es eine andere Bedeutung. Dennoch wuchs ihre Unsicherheit. Zumal Stephan sie an diesem Morgen gar nicht wahrzunehmen schien. Sie sah, wie er Karim sein Jagdmesser mit Hirschhorngriff zeigte und etwas sagte. Karim lachte. Christian hatte recht, die beiden hatten sich angefreundet. Irgendetwas war in jener Nacht geschehen, als Karim mit dem leeren Krug in die Burg zurückgekehrt war. Wieder fühlte sie sich ausgeschlossen, begriff, dass sie in der Männerwelt immer nur als Gast weilte, niemals wirklich dazugehörte. Männer durften um Frauen werben, Antonia aber musste warten. Und hatte sogar freundlich zu lächeln und zu nicken, wenn sich der Falsche näherte …
»Ist Euch nicht wohl, Fräulein Antonia?«
»Wie kommt Ihr darauf, Herr Christian?«
»Ihr habt einen tiefen Seufzer ausgestoßen.«
»Ich bin nur ungeduldig. Ich hoffe, dass wir bald aufbrechen.« Wieder lächelte sie, wie es von ihr erwartet wurde. Höflich, kalt und ohne jedes Gefühl.
Christian blieb während des ganzen Ritts an ihrer Seite und bemühte sich nach Kräften, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Sie antwortete freundlich, doch niemals stellte sie ihrerseits eine Frage. Ihn schien das nicht zu stören, ja, sie war sich sicher, dass er es nicht einmal bemerkte.
Immer wieder versuchte sie einen Blick auf Stephan zu erhaschen, der weit vor ihr ritt. Karim hielt sich an seiner Seite. Antonia sah, dass die beiden Männer nicht mehr sprachen, sondern schweigend nebeneinander herritten. Am liebsten hätte sie ihr Pferd angetrieben und wäre zu ihnen aufgeschlossen. Aber sie hielt sich zurück. Sie hatte sich vorgenommen, Stephan nicht länger nachzulaufen.
»Ihr wisst, was unsere Eltern sich wünschen, nicht wahr, Fräulein Antonia?«, hörte sie Christians Stimme neben sich.
O nein! Wollte er gar heute um sie freien? Wie um alles in der Welt konnte sie ihn dazu bringen, den Mund zu halten?
»Dass Meret und Rudolf möglichst bald wohlbehalten zu uns zurückkehren«, erwiderte sie ausweichend.
»Ähm, ja, das auch. Aber ich meinte eigentlich etwas anderes.«
»Ich kann einfach nicht vergessen, dass Meret und Rudolf durch meine Schuld auf Regenstein festsitzen«, antwortete sie in dem verzweifelten Bemühen, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben.
»Durch Eure Schuld? Wie kommt Ihr auf solchen Unfug?«
Gottlob hatte er ihre Ausflüchte nicht bemerkt und folgte ihr bereitwillig auf sichere Pfade, weg von ernsten Gesprächen über unerwünschte Eheschließungen.
»Wäre ich Eberhard von Regenstein in Halberstadt anders begegnet, hätte er sich keine falschen Hoffnungen gemacht.«
»Ihr seid doch nicht schuld daran, dass sich ein alter Narr von Eurer Schönheit blenden ließ, Antonia.«
Die Art, wie er ihren Namen betonte, jede einzelne Silbe auszukosten schien, ohne dabei die Anrede Fräulein zu benutzen, erschreckte sie. Damit ging er einen Schritt zu weit. Zeigte ihr zu deutlich, wie sehr er sie begehrte. Allerdings übertrat er die Grenze der Schicklichkeit um keinen Fingerbreit. Nie hätte sie mit Christians Hartnäckigkeit gerechnet. Wie sollte sie sich seiner noch erwehren? Ihn zum Schweigen bringen, verhindern, dass er ihr die Frage stellte, die sie nicht bejahen wollte? Unwillkürlich trieb sie ihre Schimmelstute zu schnellerer Gangart an. Christian blieb an ihrer Seite.
»Ich erinnere mich gern an die Zeiten, da Ihr regelmäßig zu Gast auf Burg Hohnstein wart«, fuhr Christian fort. Hilflos sah Antonia sich nach Sachmet um, doch die war mit Nebet um einiges zurückgeblieben. Die Gepardin mochte eine schnelle Läuferin sein, folgte dem Pferd allerdings nur ungern im Trab.
»Guten Morgen, Fräulein Antonia.«
Sie fuhr herum! Stephan ritt plötzlich an ihrer linken Seite.
Ihr Herz schlug schneller, und in ihrem Leib kribbelte es. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie er sein Pferd hatte zurückfallen lassen.
»Guten Morgen, Herr Stephan.«
»Verzeiht, wenn ich Euer Gespräch unterbreche, aber ich hatte eben den Eindruck, Euer Pferd lahme. Dürfte ich einmal nachsehen?«
Antonia musterte ihn erstaunt. Sie hatte keine Lahmheit bemerkt. Dennoch hielt sie ihr Pferd an. Christian runzelte die Stirn. »Mir ist nichts aufgefallen«, sagte er.
Stephan stieg aus dem Sattel und strich am linken Vorderlauf ihres Reittiers entlang, bis es bereitwillig den Huf hob. Antonia konnte nichts Genaues erkennen, denn Stephans Rücken verdeckte ihr die Sicht.
»Da haben wir
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