Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
Vom Netzwerk:
gekommen war. Sachmet kraulte sie zwischen den Ohren und redete beruhigend in einer Sprache auf sie ein, die Antonia völlig fremd war. Auf einmal kam Bewegung in die Rehe, denn plötzlich tauchten Stephan und Karim hinter ihnen auf. Sogleich löste Sachmet die Leine und ließ Nebet frei.
    Antonia hatte schon Hunde Hasen hetzen sehen, aber im Vergleich zu der Gepardin hatten sie sich geradezu tollpatschig verhalten. Nie zuvor hatte sie ein Tier so schnell und anmutig laufen sehen. Die Rehe bemerkten die Gefahr, wandten sich wieder dem Wald zu, doch dort versperrten ihnen Stephan und Karim den Rückzug. Stephan hatte seinen Bogen gespannt und schneller, als Antonia erwartet hatte, den Pfeil von der Sehne gelassen. Eines der Rehe brach tödlich getroffen zusammen. Gleichzeitig hatte Nebet sich ein weiteres Beutetier erwählt. Es wollte über die Lichtung flüchten, die Gepardin indes war schneller, stürzte sich darauf, warf es zu Boden und schien ihm regelrecht die Luft abzuschnüren. Sachmet lief los, Antonia folgte ihr.
    Die sonst so sanftmütige Nebet kauerte noch immer über ihrer Beute und grollte, als Sachmet sich näherte. Die junge Ägypterin legte ihr erneut die Leine an und rief nach Karim. Er kam sofort.
    »Sie will ihren Anteil«, sagte sie. »Gibst du ihn ihr?«
    Antonia sah, mit welcher Kraft Sachmet Nebet von dem toten Reh fortzerren musste. Karim nickte nur und zog sein Messer. Er und Sachmet hatten vermutlich schon oft auf diese Weise gejagt. Während Sachmet die knurrende Nebet hielt, trennte Karim dem toten Reh den Kopf ab und warf ihn ein Stück weiter fort. Sofort stürzte Nebet sich darauf.
    »Ist das bei euch so üblich?«, fragte Antonia.
    »Ja. Der Kopf gehört der Jägerin.« Sachmet lächelte zufrieden. »Das ist immer so. Die meisten Jagdgeparde lassen sich nicht so leicht wie Nebet von ihrer Beute trennen. Denen muss man erst Hauben über die Augen ziehen, um ihnen den Fang abspenstig zu machen.«
    »Das nanntest du leicht?« Antonia schüttelte zweifelnd den Kopf.
    »Sie ist eben kein Hund«, entgegnete die Ägypterin. »Sie hat Charakter.«
    »Und Hunde haben keinen Charakter?«
    Stephan hatte sein Reh inzwischen zu den Pferden getragen und vor seinem Sattel verzurrt. Jetzt trat er zu ihnen.
    »Hunde sind wie Sklaven«, erklärte Sachmet. »Sie kämpfen nicht um das, was ihnen zusteht, sondern ordnen sich ihrem Herrn unter.«
    »Vielleicht sind Hunde einfach klüger«, bemerkte Stephan. »Sie bekommen auch ohne Kampf ihren Anteil an der Beute.«
    »Nur wenn der Herr es erlaubt«, widersprach Sachmet.
    »Ist es bei Nebet etwa anders?«, gab Stephan zurück. »Sie erhält auch nur so viel, wie du ihr zugestehst. Und du zeigst es ihr deutlich, indem du die Leine anziehst.«
    Antonia wunderte sich über den bissigen Tonfall.
    »Ob die anderen ebenfalls schon Jagdglück hatten?« Karim wies in die Richtung, in der Alexander mit seinen Begleitern verschwunden war.
    »Ich sehe nach«, sagte Stephan und ging.
    »Ich wusste nicht, dass er Hunde so gern hat und für ihre Ehre streitet«, bemerkte Sachmet kopfschüttelnd.
    »Er sprach gar nicht über Hunde«, wandte Karim ein und machte sich an das Aufbrechen des kopflosen Rehs.
    »Worüber denn sonst?«, fragte Antonia. Sie war sich sicher, dass Karim recht hatte. Sachmets Worte hatten bei Stephan eine empfindliche Stelle getroffen.
    »Ach was!«, fuhr Sachmet dazwischen. »Ich habe das schon oft erlebt. Viele Männer meinen, ihre Hunde …«
    Ein lauter Schrei gellte durch die Luft.
    Antonia zuckte zusammen. »Wer war das?«, hauchte sie.
    »Ihr wartet hier! Ich sehe nach!« Und schon lief Karim in die gleiche Richtung, in der Stephan verschwunden war.

 28. Kapitel  
    D u bist ein ehrloser Hund!« Niemals hatte er diese Beschimpfung vergessen, niemals die Hasstiraden, den Zorn, die Hilflosigkeit des französischen Ritters, der dadurch Stärke zu zeigen glaubte.
    »Hör nicht auf ihn!«, hatte Thomas ihn immer wieder beschworen. »Er weiß es nicht besser. Es ist seine Art zu sterben. Aber wir werden leben!«
    Ein lauter Schrei! Stephan zuckte zusammen und hielt inne. Hatte er wirklich etwas gehört, oder suchte ihn der Nachhall seiner Erinnerungen heim? Nein, der Wehruf war echt! Und er kam aus der Richtung, in der Alexander mit Donatus und Christian jagte.
    Ein weiterer Schrei – Stephan war sich sicher, dass er von einem anderen Mann ausgestoßen worden war. Ein Pferd wieherte. War es zu einem Unfall oder einem Überfall gekommen?

Weitere Kostenlose Bücher