Die Tochter der Suendenheilerin
Unwillkürlich tastete seine Hand zum Waffengurt. Doch er fühlte nur sein Jagdmesser. Das Schwert hatte er vor der Pirsch abgenommen und beim Pferd gelassen, um sich besser bewegen zu können.
Aufgeregte Stimmen! Seine Gefährten! Während er dem Waldsaum entgegeneilte, rief er laut Alexanders Namen.
»Stephan?« Das war Alexanders Stimme.
»Ja!« Er folgte dem Ruf. Dann sah er sie. Donatus kauerte stöhnend am Boden. Ein Pfeil steckte in seinem rechten Oberarm. Verzweifelt versuchte Alexander, die Wunde zu versorgen. Christian stand hinter ihm.
Stephan schritt geradewegs auf den Verletzten zu. »Wie konnte das geschehen?«
»Wir wurden angegriffen!«, stieß Alexander bitter hervor. »Unsere Männer haben die Verfolgung aufgenommen.«
»Zeig her!« Stephan ging neben Donatus in die Hocke. Wunden dieser Art hatte er schon zur Genüge versorgt. Alexander machte ihm bereitwillig Platz. Donatus presste die Zähne zusammen. Ein weiteres Rascheln. Stephan fuhr herum, doch es waren nur ihre eigenen Waffenknechte.
»Habt ihr jemanden erwischt?«, hörte er Christian fragen.
»Sie waren zu zweit. Einen haben wir verwundet, aber sie sind uns auf ihren Pferden entkommen.«
Der Pfeil hatte Donatus mit voller Wucht getroffen, den Muskel des Arms durchschlagen, sodass die Spitze an der gegenüberliegenden Seite zur Hälfte wieder ausgetreten war. Stephan brach den Schaft ab. Donatus stöhnte auf, als der Pfeil sich dabei in der Wunde bewegte.
»Es ist gleich vorbei«, beruhigte er den Verletzten.
»Hast du eine solche Wunde schon einmal versorgt?«, fragte Christian. Stephan hörte die Mischung aus Argwohn und Bewunderung in seiner Stimme. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass der junge Hohnsteiner noch niemals einen ernsthaften Kampf ausgefochten hatte.
»Öfter, als mir lieb war. Habt ihr saubere Tücher?«
»Nein.«
»Das kommt mir bekannt vor«, seufzte Stephan. Dann schnitt er Donatus den Ärmel auf, trennte diesen ab und zerriss ihn in zwei Teile. »Nimm!«, forderte er Alexander auf und reichte ihm sein Messer sowie die eine Hälfte des abgeschnittenen Ärmels.
»So, nun wird es noch einmal schmerzhaft, aber dann geht es dir besser.« Er packte Donatus’ Arm mit der linken Hand, mit der Rechten griff er nach dem Pfeilschaft und stieß ihn weiter in die Wunde hinein. Donatus heulte auf, doch Stephan ließ sich davon nicht beirren. Er fasste die austretende Spitze und zog sie mit einem Ruck samt dem restlichen Pfeil aus der Wunde. Dann drückte er seinen Teil des abgeschnittenen Ärmels auf die Blutung.
»Gib mir die zweite Hälfte!«, verlangte er von Alexander. Der reichte ihm das Stoffstück. Geschickt verband Stephan die Wunde, sodass die Blutung fürs Erste gestillt war.
»Danke«, keuchte Donatus. »Diese Jagd vergesse ich so schnell nicht wieder. Eigentlich wollte ich nicht die Beute sein.«
Stephan betrachtete die entfernte Pfeilspitze genauer.
»Seht euch das an! Dies ist kein Jagdpfeil, sondern ein teurer Kriegspfeil mit drei eingeschliffenen Widerhaken. Ich habe schon Männer gesehen, denen diese Dreikantpfeile den Leib zerrissen haben.«
»Und das hätte dieser auch«, bemerkte Christian mit tonloser Stimme. »Wenn er Alexander getroffen hätte.«
»Alexander?« Stephan hielt kurz inne, während er sich das Blut von den Händen wischte. »Der Anschlag galt Alexander?«
Christian nickte. »Ich sah, wie Donatus den Arm hob, um uns etwas zu zeigen, als ihn der Pfeil traf. Alexander stand unmittelbar dahinter. Sonst wäre er in der Brust getroffen worden.«
Ein Rascheln. Alle fuhren herum, doch es war nur Karim.
»Was ist geschehen?«
»Hast du Antonia und Sachmet etwa allein gelassen?«, fuhr Stephan ihn statt einer Antwort an.
»Ich kümmere mich sofort um die Sicherheit der Frauen!«, rief Christian. »Barthel, Caspar, Matthias, ihr begleitet mich!« Die drei Waffenknechte folgten ihm.
»Wer wusste, dass wir heute hier auf Jagd gehen?« Stephan sah Alexander fragend an. Donatus erhob sich mühsam auf die Füße.
»Es war kein Geheimnis«, erwiderte Alexander. »Du hältst die Regensteiner für die Täter, nicht wahr?«
»Wer hätte sonst Anlass, mit Kriegspfeilen aus dem Hinterhalt auf uns zu schießen? Das riecht verdammt nach Meinolf von Brack.«
»Du meinst, er selbst hat uns aufgelauert?«
»Erinnere dich, was Moritz sagte – es waren zwei Männer. Würde mich nicht wundern, wenn Meinolf einer von ihnen ist. Der war schon immer hinterhältig.«
»Aber das
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