Die Tochter der Suendenheilerin
gewollt.
»Nein?«
»Ich will endlich eine Antwort! Empfindet Ihr auch etwas für mich?«
»Ja.«
»Was?«
»Zuneigung.«
»Zuneigung?« Sie starrte ihn entgeistert an. »Ist das alles?«
»Große Zuneigung?«
»Fällt Euch noch ein anderes Wort dafür ein?«
»Ja.«
»Dann sagt es!«
»Bewunderung.« Und dabei besaß er noch die Frechheit, verschmitzt zu lächeln.
»Ihr seid so töricht!«, schrie sie und trieb ihr Pferd aus dem Stand heraus in den Galopp.
Er folgte ihr sogleich, holte sie mühelos ein und drängte sie mit seinem Pferd vom Weg ab. Dann griff er ihr in die Zügel und brachte beide Pferde zum Stehen.
Sie bemerkte den kurzen Blick, den er über die Schulter zurückwarf. Niemand war ihnen gefolgt.
»Du wolltest hören, dass ich dich liebe«, flüsterte er. »Und ich würde es dir so gern sagen. Aber ich kann es nicht.«
Eine eisige Faust umschloss ihr Herz.
»Weil du mir nicht mehr als Zuneigung entgegenbringst?« Sie spürte das Brennen aufsteigender Tränen. Sie hatte alles zerstört, sich unnötig lächerlich gemacht. Sie hätte auf ihren Vater hören sollen. Ein Mann war ungern die Beute.
»Nein, das ist nicht der Grund, aber …« Er brach ab.
»Ich verstehe es nicht.« Eine Träne rollte ihr über die Wange. »Erklär es mir!«
»Das kann ich nicht. Nicht hier und jetzt.«
»Warum nicht?«
»Bitte gib mir Zeit!«, flüsterte er.
»Zeit?«, wiederholte sie. »Wofür? Um herauszufinden, ob du mich liebst?«
Er schüttelte schweigend den Kopf. Dann ließ er die Zügel ihrer Stute los. Sie sah, wie er sich anschickte, zum Tross zurückzukehren, doch sie rührte sich nicht. Als er es bemerkte, wandte er sich erneut zu ihr um.
Ihre Blicke trafen sich. Sie versuchte, in seinen Augen zu lesen, doch alles, was sie sah, war das undurchdringliche Blau. Ihre Mutter hätte gewusst, was in ihm vorging.
Während sie zur Jagdgesellschaft aufschlossen, ärgerte Stephan sich über sich selbst. Hätte er doch den Mut gehabt, die Worte auszusprechen, die sie hören wollte. Schließlich brachte er ihr mehr als große Zuneigung entgegen, und möglicherweise hätte er es in anderen Zeiten sogar Liebe genannt. In jenen Tagen, bevor alles in ihm abgestumpft war.
Vielleicht hätte er die Worte auch ausgesprochen, wenn er über Besitz verfügt hätte. Über ein Gut, auf dem sie versorgt gewesen wäre. Ehen wurden als Zweckbündnisse geschlossen. Liebe war nicht vonnöten, Zuneigung genügte. Doch er besaß nichts. Alles, was er Antonia hätte geben können, wäre sein Herz gewesen. Ein verwundetes Herz, dessen Stimme er sich nicht gewiss war. War das genug? Genug für die Tochter eines wohlhabenden Grafen, die sich mit einem mittellosen Mann eingelassen hätte? Er bezweifelte es.
Antonia ritt weiterhin an seiner Seite, aber sie schwieg. Er sah ihr deutlich an, wie stark er sie verunsichert, ja vielleicht sogar gekränkt hatte, und empfand Scham darüber. Dennoch war seine Zurückhaltung besser, als ein Versprechen zu geben, das er nicht einzulösen vermochte.
Bald darauf erreichten sie ihr Ziel. In der Nähe von Alvelingeroth versammelte sich regelmäßig Rotwild auf einer Lichtung. Zudem waren die Feldraine reich an Niederwild.
»Endlich!«, hörte er Sachmets Stimme. Die junge Ägypterin sprang aus dem Sattel. »Lange wäre Nebet mir nicht mehr wie ein treues Hündchen nachgelaufen.« Sie tätschelte der Gepardin den Kopf.
»Und ich dachte, sie ist dir den ganzen Weg über die Alpen gefolgt«, warf Antonia ein. Erleichtert nahm Stephan wahr, dass sie sich nichts mehr anmerken ließ.
»Nein, meist hat sie sich’s in einem Korb auf dem Packpferd behaglich gemacht.«
»Und nun wird sie Rehe jagen?«
Sachmet nickte. »Damit wird sie gewiss keine größere Mühe haben als mit Gazellen.«
Inzwischen hatte sich auch Karim zu ihnen gesellt. Christian war zurückgeblieben. Ein kurzer Blick verriet Stephan, dass sich der Hohnsteiner bei Alexander und Donatus aufhielt. Umso besser, dann machte er Antonia wenigstens nicht wieder den Hof.
»Was wolltest du von Christian vorhin eigentlich wissen?«, raunte er Karim zu.
»Warum niemand einen Jagdhund dabei hat. Ich dachte, das sei hier so üblich.«
»Kommt darauf an«, entgegnete Stephan.
»Ich weiß, Christian hat es mir ausführlich erklärt.« Karim verdrehte die Augen. »Sehr ausführlich.«
»Zu ausführlich?«
»Viel zu ausführlich. Ich kenne mittlerweile alle Jagdhundrassen und ihren Einsatz. Du bist mir etwas schuldig.«
»Bin
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