Die Tochter der Tryll Verborgen Band 1
falsch. Sogar du gibst doch offen zu, dass die Tante und der Bruder sehr gut zu dir waren.«
Ich hatte Kim immer gehasst und sie für eine grässliche, grausame Frau gehalten, grausam wie meine menschlichen Klassenkameraden. Aber sie hatte gewusst, dass ich nicht ihr Kind war. Tatsächlich war Kim eine unglaublich gute Mutter gewesen. Sie hatte sich an ihren Sohn erinnert, obwohl das eigentlich unmöglich gewesen war. Und sie hatte sich geweigert, ihn aufzugeben. Eigentlich war ihr Schicksal ziemlich tragisch gewesen.
»D eshalb wollt ihr also nicht, dass ich was mit dem Mänsklig anfange? Weil er mein Stiefbruder ist?« Ich rümpfte die Nase bei der Vorstellung.
»E r ist nicht dein Bruder«, wiederholte Finn überdeutlich. » Tryll und Mänsklig sind nicht miteinander verwandt. Der Grund ist, dass er ein Mensch ist.«
»S ind wir… körperlich inkompatibel?«, fragte ich vorsichtig.
»N ein. Viele Tryll haben ihre Gemeinden verlassen, leben mit Menschen zusammen und zeugen normale Nachkommen«, sagte Finn. »D as ist ein Grund dafür, dass wir immer weniger werden.«
»W as passiert jetzt mit Rhys, wenn ich wieder da bin?«, fragte ich und ignorierte die Nüchternheit, mit der Finn jedes Thema zu behandeln schien. Er war eben ein echter Profi.
»N ichts. Er kann so lange hier leben, wie er möchte. Er kann gehen, wenn er will. Es liegt bei ihm«, sagte Finn achselzuckend. »M änsklig werden hier gut behandelt. Rhiannon ist zum Beispiel Willas Mänsklig.«
»D as ergibt Sinn«, nickte ich. Rhiannon war nervös und schüchtern, aber irgendwie normal, im Gegensatz zu allen anderen hier. »A lso… was macht man denn hier mit den Mänsklig?«
»S ie werden nicht wie eigene Kinder aufgezogen, aber sie bekommen alles, was sie brauchen. Sie sollen hier glücklich und zufrieden leben«, sagte Finn. »S ie bekommen eine Ausbildung an unseren Schulen und sogar einen kleinen Treuhandfonds. Sobald sie achtzehn sind, können sie tun und lassen, was sie wollen.«
»A ber sie sind nicht gleichwertig«, begriff ich. Elora behandelte alle von oben herab, aber zu Rhys und Rhiannon war sie besonders hochnäsig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Willa viel netter war.
»W ir leben in einer Monarchie. Hier ist niemand gleichwertig.« Einen Augenblick lang sah Finn beinahe traurig aus, dann kam er zu mir und setzte sich neben mir aufs Bett. »A ls dein Tracker muss ich dich ausbilden, und wie Elora gesagt hat, hätte ich viel früher anfangen sollen. Du musst die strikte Hierarchie unserer Gesellschaft begreifen.
Bei den Tryll gibt es Klassen. Es gibt den Adel, an dessen Spitze du stehst«, erklärte Finn. »U nter Elora natürlich. Unter euch stehen die Markis und Marksinna, die aber durch Eheschließung Könige und Königinnen werden können. Dann gibt es die normalen Tryll, das gemeine Volk, wenn man so will. Unter denen stehen die Tracker, und den Bodensatz bilden die Mänsklig.«
»W as? Warum sind die Tracker so rangniedrig?«, fragte ich entgeistert.
»W ir sind Tryll, arbeiten aber nur als Tracker. Meine Eltern waren Tracker, ihre Eltern auch und so weiter und so fort«, erklärte Finn. »B ei uns gibt es nie Changelings, und das bedeutet, dass wir kein Einkommen haben. Wir bieten den anderen Tryll eine Dienstleistung an, und im Gegenzug erhalten wir ein Heim und Nahrungsmittel.«
»D u bist ein Sklave?«, japste ich.
»N icht ganz.« Finn versuchte zu lächeln, aber es wirkte gezwungen. »S olange wir als Tracker arbeiten, müssen wir sonst nichts tun. Obwohl manche Tracker, wie ich zum Beispiel, als Bodyguard für Adelsfamilien arbeiten. Fast alle Dienstleister in der Stadt, die Kindermädchen, die Lehrer, die Köche und die Hausmädchen sind Tracker im Ruhestand. Sie bekommen einen Stundenlohn. Es gibt auch ein paar Mänsklig darunter, aber die meisten verlassen unsere Gemeinschaft, wenn sie volljährig sind.«
»D eshalb verbeugst du dich immer vor Elora«, sagte ich nachdenklich.
»S ie ist die Königin, Wendy. Alle verneigen sich vor ihr«, korrigierte mich Finn. »A ußer dir und Rhys, aber der ist ein hoffnungsloser Fall.«
»S chön, dass es wenigstens einen Vorteil hat, Prinzessin zu sein.« Ich grinste ihn an.
»E lora mag auf dich kalt und unzugänglich wirken, aber sie ist eine sehr mächtige Frau.« Finn sah mich ernst an. »A uch du wirst eine sehr mächtige Frau sein. Die ganze Welt steht dir offen. Ich weiß, dass du das jetzt noch nicht so siehst, aber du wirst ein großartiges Leben
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