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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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und starrte in die Ferne. Das Knurren ließ langsam nach. Nach einer Weile kam sie angeschlichen, und ich hörte verstohlenes Kauen. Jetzt war es sicher, sie wieder anzuschauen.
    Man hatte sie nicht verletzt. Man hatte sie wohl nur irgendwo eingesperrt und erschreckt. Um zu entdecken, wer es getan hatte, sollte ich mich vielleicht nach Händen mit Bissspuren umsehen. Denn was immer geschehen war, hatte das Tier schrecklich verstört. Ich konnte jetzt erkennen, dass man in das lange, drahtige Haar auf ihrem Rücken ein grobes, aber unmissverständliches Zeichen rasiert hatte. Es war ein Symbol, das ich auch oberhalb von Türen gesehen hatte und das Hexen abwehren sollte. Eine Botschaft für mich: Verschwinde, Hexe. Im Augenblick hatten sie noch davon abgesehen, dem Tier wehzutun, vielleicht, weil sie daran dachten, wem Alys einmal gehört hatte.
    Vielleicht waren es nur Kinder gewesen. Ein Streich. Vielleicht war es unbedeutend. Also sagte ich beim Abendessen nichts davon, versuchte so zu tun, als wäre alles in Ordnung, weil ich die Gerüchte nicht weiter anstacheln wollte. Aber wie Conor mir mehr als einmal gesagt hatte, war ich nicht sehr gut darin, zu verbergen, was ich empfand. Nicht wie andere. Margery fragte, ob ich in Ordnung sei, und ich nickte. Ben meinte, ich sähe müde aus, und ich lächelte. John versuchte, mich zum Essen zu überreden; sie versuchten immer, mich zum Essen zu überreden, aber mein Körper war so daran gewöhnt, dass ihm Dinge versagt wurden, und akzeptierte nur kleine Mengen der schlichtesten Nahrung. Ein wenig Brot, ein wenig Obst, eine Schale Gerstenbrühe. Hin und wieder Käse. Es ging mir recht gut dabei. Außerdem half es bei der Konzentration. Ich erinnere mich, dass Vater Brien das einmal gesagt hatte.
    Ich schaute am Tisch auf und ab, sah mir die Mitglieder des Haushalts an, während sie aßen und tranken und miteinander schwatzten, und fragte mich, wie viele von ihnen mich wirklich für eine Bedrohung hielten. Denn die meisten von ihnen waren ehrliche, schwer arbeitende Leute, die ihr einfaches, ordentliches Leben zu schätzen wussten. Meine Anwesenheit war wie eine kleine, aber ununterbrochene Störung in einem kleinen Teich; die Wellen breiteten sich aus und störten das Gleichgewicht. Irgendwen hatte das genug verärgert, um gegen mich vorzugehen. Bisher waren es nur kleine Dinge gewesen; aber ich war zutiefst beunruhigt, denn kleine Dinge konnten zu größeren führen, das hatte ich nur zu genau gesehen, als Lady Oonagh nach Sevenwaters kam. Und ich war dem Ende meiner Aufgabe so nah, näher als je. Liam, Diarmid, Conor, Cormack. Finbar, dessen Hemd rasch wuchs, denn ich arbeitete lang und schwer und kümmerte mich nicht um den Schmerz. Bald würde nur noch ein Hemd zu machen sein, dann würde der Bann gebrochen werden und ich könnte nach Hause zurückkehren. Kurz dachte ich daran, zu Lady Anne zu gehen und ihr zu erzählen, was dem Hund geschehen war, denn ich wusste, sie würde hart gegen ein solches Benehmen in ihrem Haushalt vorgehen, ganz gleich, was sie von mir hielt. Aber das würde sie gleichzeitig in ihrer Ansicht bestärken, dass ich nach Northwoods geschickt werden sollte, und diese Aussicht erschreckte mich. Der Onkel des Roten hatte etwas Böses an sich, etwas Bedrohliches in seinem Blick und seinen schlauen Worten, das bewirkte, dass mir in seiner Anwesenheit ganz kalt wurde. Bevor ich nach Northwoods ging, würde ich lieber wieder für mich selbst sorgen. Ich beschloss, niemandem zu erzählen, was mit Alys geschehen war. Was konnte ich denn auch schon dagegen tun?
    Ich hatte nicht mit dem Roten gerechnet. An diesem Abend, als ich in meinem Zimmer beim Lampenlicht nähte, klopfte es an der Außentür. Ich konnte nicht »wer ist da?« rufen, und nach allem, was geschehen war, würde ich nicht einfach öffnen.
    »Mach die Tür auf, Jenny.« Ich ging zur Tür, meine Arbeit noch in der Hand, und löste den Riegel. Was machte er dort überhaupt? Eigentlich sollte Ben heute Nacht Wache stehen.
    »Komm heraus«, sagte der Rote. »Ich will dein Gesicht sehen.«
    Denn ich stand mit dem Rücken zur Lampe. Ich schloss die Tür auf und ging hinaus in den Garten, wo der Mond ein weiches, kühles Licht über die bläulich grauen Lavendel- und Wacholderbüsche warf.
    »Und jetzt sieh mich an. Sieh mich richtig an.«
    Ich begegnete seinem Blick und dachte erst, dass er müde aussah; er hatte lange Tage auf den Feldern hinter sich, aber die Falten um Nase und Mund sprachen von

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