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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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zur Brücke eine Eskorte stellen.«
    Richard zog die Brauen hoch. »Du begleitest mich ein Stück? Ich danke dir. Ich werde Elaine gerne ausrichten, dass du sie eingeladen hast. Sie soll selbst sehen, wie die Dinge hier liegen. Selbstverständlich muss sie sich in meiner Abwesenheit auch um Northwoods kümmern. Aber ich kann sie ein paar Tage entbehren. Denn selbstverständlich wird die Hochzeit hier stattfinden. Anne und ich dachten, der erste Mai sei angemessen. Es besteht keine Notwendigkeit, bis zum Mittsommer zu warten. Diesmal wird mein Feldzug schnell und tödlich sein. Ich werde zurück sein, bevor ihr die Zeit habt, meine Abwesenheit überhaupt zu bemerken.«

KAPITEL 10
    Die Tage, die danach folgten, sollte ich später als die letzten guten Tage in Harrowfield betrachten. Richard war weg, und im Tal begann der Frühling, als feierte er seinen Abschied. Mein kleiner Garten blühte, mit seinen tapferen Krokussen und den kleinen blassen Hyazinthen und duftenden Kräutern. Die Sonne wärmte die Steinmauern, und der alte Terrier streckte die steifen Glieder und machte Entdeckungsreisen unter dem blühenden Flieder. Ich gewöhnte es mir an, noch früher aufzustehen und eine Weile spazieren zu gehen, während die Luft noch frisch und der Tag neu waren. Auf diese Weise konnte ich mir beinahe vorstellen, wieder daheim in Sevenwaters zu sein, als noch alles in Ordnung war. Beinahe. Häufig, wenn ich in dem Obstgarten mit seinen flechtenbewachsenen Mauern kam, war der Rote bereits dort, gegen die Kälte einen Umhang über den Schultern, das Tintenfass auf der Bank neben sich, und schrieb in sein Buch. Manchmal saß ich eine Weile dort, und er nickte mir ernst zu und schrieb dann weiter.
    Ich hatte angenommen, es handelte sich bei dem Buch um Aufzeichnungen über den Hof, über Einkäufe und Profite, die dort methodisch, Jahr um Jahr aufgeführt wurden. Nun konnte ich sehen, dass es mehr war, denn ich entdeckte kunstvolle Diagramme, die offenbar die Schichten unter der Erde darstellten und die verschiedenen Arten von Wurzeln und wie der Regen fiel und sie nährte; und hier und da gab es eine kleine Abbildung eines Baums oder eines Blatts oder einer Blüte, ausgeführt mit beherrschten und zarten Strichen. Dies war der Mann, den sein Onkel dafür verspottete, Bauer zu spielen; dessen Hände so groß waren, dass meine darin verschwanden. Es gefiel mir, still dort zu sitzen, mit dem Rücken gegen die glatten Steine der Mauer, und ihm bei der Arbeit zuzusehen. An manchen Tagen hatte ich auch das Bedürfnis, weiterzugehen, und er legte Feder und Tinte weg und begleitete mich durch den wachsenden Eichenwald zur Hügelkuppe, von der aus er mir zum ersten Mal sein Land gezeigt hatte. Vom Fluss bis zum Horizont, von der Straße bis zum Himmel, war das Tal in sein erstes mutiges Grün gekleidet. Es waren gute Zeiten, stille, friedliche Zeiten. Wir brauchten nicht zu sprechen. Langsam glitt das Gift von Richards Zunge aus meinem Geist, und ich begann wieder Vertrauen zu fassen.
    Elaine kam zu Besuch, und ihr Verhalten war so makellos wie ihre eleganten, schlichten Gewänder und ihr schimmerndes, geflochtenes Haar. Sie war höflich zu Lady Anne, stellte aber dennoch klar, dass sie ihre eigenen Ansichten und Absichten hatte, sobald sie Herrin von Harrowfield sein würde. Sie war liebenswert zu Margery und brachte Spielzeug für den Jungen, ein kleines Tier, aus Knochen geschnitzt, auf dem er kauen konnte, denn Johnny bekam seinen ersten Zahn. Ich sah, dass sie ausgesprochen neugierig war, was meine Rolle im Haushalt anging, aber anders als ihr Vater behandelte sie das mit einer natürlichen Zurückhaltung und dem, was ich für ein intensives Gespür für Recht und Unrecht hielt. Morgens saß sie beim Nähen bei Margery und mir und sah mir beim Arbeiten zu. Danach betrachtete sie meine Hände, nachdem sie zunächst gefragt hatte, ob ich etwas dagegen hätte.
    »Ihr wisst sicher, dass ein paar Leute Euch verrückt nennen«, sagte sie und sah mir direkt in die Augen. »Ich glaube das nicht. Ich glaube, Ihr habt ein Ziel, ein sehr wichtiges Ziel.« Sie warf einen Blick auf den Hemdsärmel, den ich webte, und den Korb mit den dornigen Fasern. »Wie lange?« fragte sie. »Wie viele?« Sie war der erste Mensch, der mich so direkt fragte. Ich legte die Finger auf meine Lippen und bewegte dann beide Hände nach unten und außen. Ich darf es nicht sagen. Ich darf nicht.
    »Ja, das hat der Rote mir gesagt«, meinte Elaine ernst. Ich dachte,

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