Die Tochter der Wälder
wirklichen Menschen zu sehen. Er ist etwas Niedrigeres – man lernt, mit ihm zu tun, was man will, und ihn für die eigenen Zwecke zu nutzen.« Er spürte mein Entsetzen. »Schon gut, Sorcha«, sagte er. »Wir können diesen Mann retten, du und ich. Tu nur, was ich dir sage, und überlass mir den Rest.«
»Was wirst du tun? Und was, wenn Vater es herausfindet?«
»Zu viele Fragen! Wir haben nicht mehr viel Zeit – kannst du es nicht einfach tun?«
Ich wandte mich ihm zu, die Arme um den Oberkörper geschlungen. Um ehrlich zu sein, ich schauderte, und nicht nur von der Kälte.
»Ich weiß, dass du mich nicht anlügst, Finbar. Ich habe keine Wahl, als zu glauben, was du mir gesagt hast. Aber ich habe doch nie zuvor jemanden vergiftet – ich bin Heilerin.«
Ich blickte auf zu seinem schweigenden Gesicht, dem breiten beweglichen Mund, den klaren, grauen Augen, die immer auf einen zukünftigen Weg gerichtet schienen, auf dem es keine Unsicherheiten gab.
»Es geschieht«, sagte er ruhig. »Es gehört zum Krieg. Manchmal reden sie. Manchmal schweigen sie. Oft sterben sie. Und hin und wieder können sie entkommen.«
»Dann solltest du dich lieber beeilen«, sagte ich, und meine Stimme kam mir wie die einer anderen vor. Meine Hände suchten schon nach einem scharfen Messer, begannen automatisch, die Bestandteile meines Schlaftrunks zu hacken. »Mach schon, Finbar.«
»Danke.« Das Aufblitzen eines Lächelns, dieses großzügigen Lächelns, das sein ganzes Gesicht aufleuchten ließ. »Wir arbeiten gut zusammen. Uns kann niemand hinters Licht führen. Wie könnten wir versagen?«
Er drückte mich einen Augenblick lang an sich, gerade lange genug, dass ich die Spannung in seinem Körper und seinen schnellen Herzschlag spürte. Dann war er weg, glitt lautlos wie eine Katze davon.
Es war eine lange Nacht. Das Wissen, dass der geringste Irrtum mich zur Mörderin machen könnte, hielt mich wach, und vor Tagesanbruch war der Schlaftrunk bereit und sicher in einer kleinen Steinflasche verkorkt, die man in der Hand verstecken konnte. Die Kammer war gesäubert, jede Spur meiner Aktivitäten verschwunden. Finbar holte mich, als draußen vor der Tür das Klirren von Zaumzeug und von eilenden, bestiefelten Füßen lauter wurde.
»Geh und bring es in die Küche«, flüsterte er. »Du wirst ihnen weniger auffallen.« Ich erinnerte mich vage, dass er diesmal mit in den Krieg ziehen sollte – hatte nicht Vater so entschieden? Dann hatte ich zu viel zu tun, um noch nachdenken zu können, schlüpfte in die Küche, drängte mich zwischen Dienern und Bewaffneten durch, die einen letzten Bissen zu sich nahmen, Rationspäckchen vorbereiteten und Wein- und Wasserflaschen füllten. Die dicke Janis, hatte Finbar erklärt, gehe dahin, wo die dicke Janis ihren Eisentopf über dem Feuer hat. Wenn sie die Nacht über gearbeitet haben, wird sie ihnen früh am Morgen warmes Bier bringen. Ihr Spezialgebräu. Es heißt, es hätte ein paar interessante Nebenwirkungen. Sie bringt es selbst zu ihnen, und vielleicht tun sie ihr im Gegenzug den einen oder anderen Gefallen. Welche Gefallen? fragte ich. Mach dir darüber keine Gedanken, sagte Finbar. Sorge nur dafür, dass sie dich nicht sieht.
Es gab einiges, was ich wirklich gut konnte. Ich konnte Gifte und Heiltränke mischen, und ich konnte ungesehen bleiben, wenn ich wollte. Es war überhaupt nicht schwierig, den Schlaftrunk ins Bier zu gießen; Janis drehte dem Feuer einen Augenblick den Rücken zu, lachte über eine Bemerkung eines Kriegers, als er das letzte Stück Wurst in den Mund steckte, zur Tür ging und seinen Schwertgürtel zuschnallte. Ich war fertig und schon wieder verschwunden, ehe sie sich zurückdrehte, sie hat mich nie gesehen. Das war einfach, dachte ich, als ich auf die Tür zuging. Es waren mindestens fünfzehn Menschen dort, und keiner von ihnen hatte mich entdeckt. Ich war beinahe schon draußen, als etwas bewirkte, dass ich mich noch einmal umdrehte. Auf der gegenüberliegenden Seite der Küche, den Blick direkt auf mich gerichtet, stand mein Bruder Conor. Er stand in der abgelegenen Ecke des Raums, halb im Schatten, eine Liste in einer Hand, eine Feder in der anderen. Sein Helfer, mit dem Rücken zu ihm, packte Vorräte in eine Satteltasche. Ich war erstarrt vor Schreck: Von dort, wo er stand, musste mein Bruder alles gesehen haben. Wie kam es, dass er mir nicht vorher aufgefallen war? Hin- und hergerissen zwischen dem Instinkt, mich zu verstecken, und mich dem
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