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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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sich. Junge Männer finden sich nicht zwischen zwei Welten hin und her gerissen. Vater kennen ihre Kinder.
    Aber das hier war meine eigene Geschichte. Und überraschenderweise war ich es, die unserem Vater als erste begegnete, denn meine Brüder folgten Donal nach drinnen, und ich ging ums Haus herum in meinen alten Garten, den Oonagh zerstört hatte. Ich hatte damals geglaubt, dass es mir das Herz gebrochen hätte. Wie wenig hatte ich von Kummer gewusst!
    ***
    Mein Garten war immer noch ein Durcheinander von umgestürzten Mauern und aufgeworfener Erde, aber die Jahreszeiten waren seit meinen Abschied freundlich gewesen. Moos überzog den Pfad und die verwitterte Steinmauer. Ranken kletterten über die Überreste eines Spaliers; im Frühling würde alles dort mit weißen Blüten bedeckt sein. Es gab tapfere Lavendelpflanzen zwischen dem Unkraut, und ich konnte den heilenden Duft von Thymian riechen. Die Tür ins Haus stand offen. Die alte Bank war beinahe vollkommen von Kamille überwachsen, und dort saß mein Vater, in einen dunklen Umhang gehüllt, und starrte mit leerem Blick geradeaus. Sein einstmals strenges, starkes Gesicht schien irgendwie verschwommen, als hätte jemand einen feuchten Pinsel über die Züge eines gemalten Königs gezogen. Von seinen Wolfshunden, die einmal jedem Schritt gefolgt waren, gab es kein Zeichen.
    Ich ging durch den Garten auf ihn zu. Er drehte sich bei dem Geräusch langsam um, und in seinen tief liegenden Augen stand ein Ausdruck reinen Staunens. Ich kam näher.
    »Niamh?« hauchte er ungläubig.
    »Nein, Vater«, sagte ich und schluckte fest. »Ich bin es, Sorcha, deine Tochter. Ich bin nach Hause gekommen. Wir sind alle wieder da, wir sind sicher zu dir zurückgekehrt.«
    Ich kam näher und setzte mich neben ihn auf die Bank. Wir schwiegen beide. Nach einer Weile streckte ich die Hand aus und griff nach seiner. Seine Hand zitterte.
    Ich wusste kaum, was ich sagen sollte. Ich war noch ein Kind gewesen, als ich gegangen war, und er ein strenger, abwesender Vater, den ich kaum kannte. Nun war es, als wäre ich die Mutter und er das Kind.
    »Vater?« wagte ich schließlich zu sagen. »Erkennst du mich?«
    Es dauerte einige Zeit, bis er antwortete.
    »Meine Tochter war ein kleines Mädchen«, sagte er schließlich.
    »Das ist … das ist eine Weile her.«
    »Ich habe sie verloren, weißt du. Alle. Selbst den jüngsten.«
    Rings um uns her war der Garten sehr still.
    »Vater. Vielleicht sollten wir hineingehen. Meine Brüder sind alle hier. Jetzt wird alles gut.« Aber ich wusste, dass das nicht stimmte.
    Er seufzte. »Das denke ich nicht. Noch nicht. Ich werde hier noch eine Weile bleiben. Geh du hinein.« Er schwieg wieder und blickte ins Leere. Endlich stand ich auf und ging hinein, und mein Rock fegte über die Kamille und den Thymian und entsandte einen süßen Duft in die kalte Morgenluft. Als ich nach der Tür griff, sprach er noch einmal hinter mir.
    »Es tut mir Leid, Niamh«, sagte er. »Es tut mir so Leid.«
    Aber als ich mich umdrehte, sah er mich nicht an. Man hätte glauben können, sein Blick wäre auf die Steinmauer gerichtet, aber ich spürte, dass er etwas weit Entferntes sah, so weit entfernt wie eine uralte Erinnerung, aber immer noch süß und stark wie die Töne einer Harfe und so schmerzlich wie ein Schwertstoß tief in die Eingeweide. Ich ging hinein, um meine Brüder zu suchen.
    Es würde Zeit brauchen. Das sagte Conor zumindest, als wir unter uns aufteilten, was getan werden musste. Vater brauchte Zeit, um seine Willenskraft wieder zu gewinnen, um sich zu fassen, um wieder zu begreifen, wer er war und wo. Finbar brauchte Zeit, um aus seinem Schweigen aufzuwachen und dieses blinde Glitzern in seinem Blick zu verlieren, die geisterhafte Blässe. Inzwischen gab es viel zu tun, und jene, die die Kraft und den Willen dazu hatten, mussten sich an die Arbeit machen. Es war gut, dass mein Vater keine Vettern oder Neffen hatte, die ihn bisher in Abwesenheit seiner Söhne hätten herausfordern können. Aber wir hatten mächtige Nachbarn, die nicht lange warten würden, einen Vorteil aus Lord Colums Schwäche zu ziehen. Ich hörte, wie Liam mit Donal über einem Becher Met darüber sprach.
    »Es ist ein Wunder, dass Eamonn noch nicht zugeschlagen hat«, sagte Donal.
    »Seamus Rotbart ist immer noch unser Verbündeter, obwohl er Eilis an diesen Verräter verheiratet hat«, sagte Liam. »Ich denke, ich weiß, mit wem ich es zu tun habe, und wenn die Zeit gekommen ist,

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