Die Tochter der Wälder
werde ich handeln.« Ich hatte meinem ältesten Bruder längst die Geschichte von Eamonns Verrat und seiner Allianz mit Richard von Northwoods erzählt. Liam hatte ernst zugehört und seinen Zorn zurückgehalten. Wir hatten Diarmid nichts von der Verbindung zwischen diesen Männern und Lady Oonagh erzählt, denn Liam meinte, diese Situation erfordere Vernunft und hervorragende Planung. Wenn die Zeit gekommen war, würden er und Seamus sich darum kümmern. Diarmid, den es am heftigsten nach Rache gelüstete, sollte lieber fern gehalten werden, bis das erledigt war. »Der Gedanke einer raschen Rache ist verlockend, das weiß ich«, fuhr Liam fort. »Aber ich habe vor, subtilere Methoden anzuwenden, denn dieser Mann hat Informationen, die für uns wichtig sein können, und ich will erfahren, um was es geht, bevor ich ihm ein Ende mache.«
»Seamus hat jetzt einen Enkel«, stellte Donal fest. »Machst du dir wegen dieser Allianz keine Sorgen? Wer weiß schon, ob der alte Mann nicht seine Farben wechseln wird?«
Liams Lächeln reichte nicht bis in seinen Blick. »Eamonns Sohn wird nicht als Feind von Sevenwaters aufwachsen«, sagte er.
Wie es mit solchen Dingen nun einmal der Fall ist, breitete sich die Nachricht von unserer Rückkehr schnell aus. Ebenso geschah es mit der Geschichte davon, was Lady Oonagh uns angetan hatte und wie ich meine Brüder von dem Bann befreit hatte. Wie ich schon sagte, unsere Leute akzeptierten das, ohne sich weiter zu wundern, aber mit der Zeit wuchs die Geschichte und wurde ausgeschmückt und nahm ihren Platz zwischen den großen, heroischen Geschichten ein, die sich die Leute an kalten Winterabenden über einem Krug Bier erzählten. Man erfuhr allerdings nie viel von den Briten und wie sie mir geholfen hatten; nur von Lord Richard und der Verbrennung. Jede Geschichte braucht einen guten Schurken.
Liam nahm die Stelle unseres Vaters ein, wie er immer gewusst hatte, dass es eines Tages geschehen würde. Zurzeit unserer Rückkehr waren nur noch wenige vom alten Haushalt übrig. Donal und ein halbes Dutzend der Männer meines Vaters, jene, die zu loyal gewesen waren, ihn selbst in einer solchen Situation zu verlassen, jene, die zu stark oder zu störrisch waren, als dass Lady Oonagh sie hätte vertreiben können. Die dicke Janis, nun mit hohlen Augen und schlank wie ein Windhund, arbeitete immer noch in einer Küche, in der sich nur die Überreste einer späten und verzweifelten Ernte befanden. Es gab ein paar Jungen, die in den Ställen schliefen und sich um die Tiere kümmerten. Das war alles. Aber bald kamen sie zurück, ein paar Männer hier, ein paar kichernde Dienerinnen dort. Alle wurden von Liam heftig dafür ausgeschimpft, Sevenwaters verlassen zu haben. Alle fanden Arbeit. Besucher von weiter her begannen ebenfalls aufzutauchen und verbrachten Abende im Gespräch mit meinem Bruder. Ich glaubte, dass Eamonn von den Marschen eines Morgens aufwachen und feststellen würde, dass sich ein Netz um ihn gezogen hatte, aus dem es kein Entkommen gab. Ich fragte nicht nach Einzelheiten. Im Lauf des Tages erklang Donals Stimme vom Hof her, das vertraute Geräusch von Metall auf Metall und klappernden Hufen. In der Küche gab Janis laut ihre Anweisungen, wenn Holz gehackt und Feuer entzündet wurde, wenn Wäsche geschrubbt und zum Trocknen aufgehängt wurde. Das Haus von Sevenwaters begann langsam wieder zu atmen.
Dann kam ein Tag, an dem die Luft frisch und kühl war und sich die kahlen Bäume am See kaum im Wind bewegten, und wir fanden uns alle am Birkenbaum unserer Mutter. Wir hatten es nicht abgesprochen. Es war nur so, dass ich an diesem besonderen Morgen Finbar am Ärmel packte und durch den Wald hinter mir herzog, und dass auch die anderen, einer nach dem anderen, zum Ufer kamen, bis wir alle sieben dort waren. Diesmal gab es keine Ritualgegenstände und keine Zeremonie. Wir standen einfach nur im Kreis um den silbrigen Baumstamm und sogen die Stille tief in unseren Geist. Eine Stimme in mir sagte: Du bist hier. Du bist zu Hause, meine Tochter, und die Wunde ist geheilt. Lass uns nicht wieder allein. Aber ob es die Stimme meiner Mutter war oder die des Waldes selbst, hätte ich nicht sagen können.
Ich beobachtete die Gesichter meiner Brüder, als sie still dort standen. Der Bann war von ihnen genommen, und sie waren zu Hause. So viel war wahr. Der Haushalt, die Allianzen konnten mit Hilfe schwerer Arbeit wieder gefestigt werden. Aber es gab größeren Schaden, der tiefer ging und
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