Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
der Winterhimmel, sah seinen wilden, verwirrten, entsetzten Blick, als er versuchte, die Kluft zwischen Mensch und Tier zu überbrücken. Ich hielt die Asche seines Hemdes in meiner Hand; ich spürte, wie sie mir durch die Finger rann.
    »Jenny, meine Liebe.« Ich blickte erschrocken auf. Lady Anne konnte sich so lautlos bewegen wie ihr Sohn, wenn sie es wollte. Nun stand sie neben ihm und runzelte die Stirn. »Das tut mir sehr Leid. Aber es muss ein Unfall gewesen sein. Wind aus dem Kamin, der Funken hinübergeblasen hat. Ich werde selbstverständlich dein Handwerkszeug ersetzen. Wir haben genügend Spindeln und Spinnrocken.« Der Rote schwieg und schaute zur Feuerstelle, die sich ein ganzes Stück entfernt in der Mitte der Innenwand befand; er sah sich den Weg an, den das Feuer genommen hatte. Er sah mich an. Ich verbiss mir die Tränen.
    »Hugh«, sagte Lady Anne. Sie klang so, wie sie vielleicht gesprochen hatte, als er und sein Bruder noch kleine Jungen waren und sie sie tadelte, weil sie zu lange aufgeblieben waren oder Kuchen aus der Küche gestohlen hatten. »Danach musst du wirklich daran denken, sie wegzuschicken. Das ist unerträglich. Du musst an die Sicherheit unseres Haushalts denken. Wieso kannst du das Mädchen nicht nach Northwoods schicken? Selbst dir muss doch nun klar sein, dass sie nicht hier bleiben kann.«
    Der Blick des Roten war eisig. »Mir ist überhaupt nichts klar«, sagte er ruhig. »Oder erkennst du nicht Richards Hand in dem, was hier geschehen ist?«
    »Was sagst du da?« Seine Mutter war entsetzt. »Mein eigener Bruder? Wieso sollte er das Haus seiner nächsten Verwandten niederbrennen wollen, wieso sollte er so tief sinken, kindische Streiche zu spielen? Ich weiß, dass er die Anwesenheit des Mädchens hier missbilligt, aber so etwas anzudeuten – das ist unverschämt. Außerdem ist er nicht hier und das schon seit langer Zeit. Es sei denn, du glaubst, dass auch er sich der Zauberei bedient, um seine Ziele zu erreichen? Wirklich, Hugh, manchmal verblüffst du mich.«
    »Wenn nicht dein Bruder, wer sonst?« fragte er. »Welche anderen Feinde hat sie? Denn dieser Schlag galt nicht uns, Mutter. Das ging gegen Jenny, gegen ihr Herz und ihre Willenskraft. Der Preis dieses Feuers sind weitere drei oder vier Monate Schweigen. Eine weitere Jahreszeit des Wartens.«
    Ich fürchte, bei diesen Worten brach ich in Tränen aus, lautlose Tränen, aber ich weinte heftig genug, dass meine Schultern bebten und mir die Nase lief. Vielleicht hatten sie mich vergessen, wo ich am Boden hockte, neben den verkohlten Überresten meiner Arbeit. Aber ich war nicht imstande, ihre Stimmen zu überhören. Ich schlug die Hände vors Gesicht.
    »Ich muss zugeben, das Mädchen tut mir irgendwie Leid«, sagte Lady Anne und tastete nach einem Taschentuch. »Hier, nimm das da!« sagte sie. Der Rote schwieg und beobachtete mich. »Geh schon, Hugh«, sagte seine Mutter. »Es ist nicht notwendig, dass du hier bleibst. Ich werde mich darum kümmern.« Aber er ignorierte sie, und ich hörte eher als ich sah, wie er näher kam und neben mir niederkniete.
    »Morgen«, sagte er. »Ich kann dich nicht selbst hinbringen, aber John wird mit dir zu der Stelle reiten, wo diese Pflanze wächst. Du kannst mit zurückbringen, was du brauchst. Ich weiß, es tut weh. Aber du bist zuvor schon stark gewesen, und du wirst es auch jetzt sein. Was verbrannt ist, kann ersetzt werden; was zerstört ist, kann wieder hergestellt werden, und dann wirst du auch deine Stimme wieder haben. Und mit der Zeit … mit der Zeit wirst du wieder nach Hause zurückkommen.«
    Ich sah ihn nicht direkt an, aber ich senkte die Hände von meinen feuchten Wangen und benutzte meine Finger, um mit ihm zu sprechen. Meine Gedanken waren verwirrt, meine Gesten weniger als klar. Lange. Lange Zeit. Ich – müde. Du – auch müde. Das entlockte ihm ein schiefes Grinsen.
    »Ich kann recht gut warten. Du wirst überrascht sein, wie gut«, sagte er.
    Noch eine Frage, die ich stellen musste. Es war nicht leicht, mit Gesten zu fragen. Woher weißt du – spinnen, weben – Stimme? Er verstand es sofort. Der Schatten eines Lächelns, sofort wieder verschwunden. »Ich lerne zu lauschen«, sagte er, »wenn auch nur langsam.«
    Über seine Schulter hinweg sah ich Lady Annes in Missbilligung erstarrtes Gesicht, während sie uns beobachtete. Nun, es war mir gleich, was sie dachte. Es würde all meine Kraft und all meinen Willen brauchen, um wieder zu beginnen. Ich würde

Weitere Kostenlose Bücher