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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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zu verbessern. Aber es würde ihm schwer fallen, jemanden zu finden. Außerdem würde ich niemals zustimmen. Stattdessen würde es so sein, wie ich es einmal Diarmid gesagt hatte: Ich würde eine alte Frau werden und über meinen Kräutern murmeln und Heiltränke brauen. War das nicht, was ich immer gewollt hatte? Irgendwie schien es jetzt nicht mehr genug zu sein.
    Ich arbeitete stetig weiter, und die Stacheln der Pflanze machten meine Finger rot und schwielig. Die Frauen hatten Recht. Es waren solch hässliche Hände. Während ich weiterarbeitete, erzählte ich mir eine Geschichte über solche Hände. In meiner Geschichte musste das Mädchen in der Küche eines großen Hauses arbeiten, sieben Jahre lang, um ihren Geliebten zurückzubringen. Sieben Jahre den Boden, Töpfe und Pfannen schrubben, und ihre Finger waren geschwollen und ihre Handflächen schwielig und rau. Am Ende dieser Geschichte wurde das treue Mädchen schließlich mit ihrem Geliebten wiedervereint. Und als er ihre Hände an seine Lippen zog und seine Tränen auf sie fielen, siehe, da waren ihre Finger wieder schlank und klein, und als sie sein Gesicht berührte, tat sie das mit den weißen Handflächen einer Königin. Aber ihr Geliebter sah sie erstaunt an, als sie ihm von all ihrer Arbeit erzählte, die ihre Hände so hässlich gemacht hatte. Denn als er sie endlich wieder gefunden hatte, sie an sich zog und seine Lippen auf ihre schwieligen Handflächen drückte, waren es für ihn die schönsten Hände der Welt gewesen.
    Eines Nachmittags nahm mich Margery mit in ihre Räume und gab mir ein Geschenk. Von ihr und von John, sagte sie, denn sie wollten mir noch einmal zeigen, wie dankbar sie waren, dass ich ihr und ihrem Kind das Leben gerettet hatte. Sie hatte mir ein neues Kleid genäht; besser passend für eine Hochzeit als mein formloses, grob gesponnenes Gewand. Es war ein wunderschönes Stück Arbeit, schlicht, aber von wunderbarer Passform, in weicher, heller Wolle, von einer Farbe irgendwo zwischen Blau und Lavendel, wie die erste Abenddämmerung an einem Sommerabend. Um den Halsausschnitt und den Saum gab es feine Stickerei mit Ranken und Blättern und kleinen geflügelten Geschöpfen in einem tieferen Blau. Es war ein Geschenk der Liebe, und ich umarmte meine Freundin dafür. Ich sagte ihr nicht, dass ich kein solches Kleid tragen wollte, das meine Figur zur Geltung brachte und die Augen der Männer auf mich zog, ich fühlte mich sicherer in dem alten Kleid, das ebenso gut hätte ein Sack sein können. Aber es war immer noch ein kostbares Geschenk, das ich mit einem Lächeln tragen musste. Also probierte ich es an, und sie änderte hier und nähte dort, bis sie endlich zufrieden war. Johnny beobachtete uns von seiner Decke aus mit großen Augen. Er arbeitete angestrengt daran, sich vom Bauch auf den Rücken zu drehen. Es gelang ihm noch nicht so recht, aber nach seinem angestrengten Grunzen zu schließen, würde es nicht lange dauern.
    Margery flocht mir das Haar auf dem Rücken und wob dabei lavendelfarbene Bänder hinein. Das war eine gute Übung für die Hochzeitsfeier, erklärte sie.
    »Da«, sagte sie. »Schau in den Spiegel, Jenny. Du musst wirklich aufhören, dich zu verstecken.«
    Ich hatte keinen sonderlichen Wunsch, mich zu sehen, da ich seit Lady Oonagh nichts mehr von Spiegeln hielt. Aber ich schaute hin und rechnete damit, das magere, bleiche Mädchen zu sehen, von dem die Frauen sprachen. Stattdessen fand ich mich einer schlanken Fremden gegenüber – oder vielleicht doch nicht, denn die Person, die ernst aus dem Spiegel zurückblickte, hatte etwas von dem klaren Blick meines Bruders Finbar und die gebogenen Brauen, die ich auf Diarmids Gesicht gesehen hatte und – nun ja, ich war tatsächlich Lord Colums Tochter. Aber ich hatte mich verändert. Sie hatten Recht, ich war gewachsen, und ich war jetzt eine Frau. Die weiche Wolle schmiegte sich eng an den Körper und fiel dann in anmutigen Falten bis auf meine Füße. Klein und schlank würde ich immer sein, aber dieses Gewand zeigte die Rundung meiner Brüste und die weiße Haut über dem Ausschnitt. Ich war kein wildes kleines Geschöpf mehr, das mit seinen Brüdern durch den Wald tobte. Mein Gesicht war immer noch zu schmal, aber die großen grünen Augen und die kleine gerade Nase und die gebogenen Lippen waren nicht die eines Kindes. Ich hatte die helle Haut meines Volkes, und schon begannen Strähnen dunklen Haares wieder dem ordentlichen Zopf zu entkommen, um sich um

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