Die Tochter der Wanderhure
selbstzufriedenen Gesichtsausdruck nicht mehr ertragen. Hätte sie eine ähnlich große Mitgift zu erwarten wie ihre Freundin, so wäre Georg von Gressingen gewiss ihr Bräutigam geworden. Der Junker hatte sich doch nur für Trudi entschieden, weil deren Vater weitaus wohlhabender war als die meisten Ritter und Burgherren in Franken. Ihr aber blieb nur die Wahl zwischen einem Brautwerber wie Mertelsbach oder dem Eintritt in ein Kloster.
Bonas Gefühle blieben Trudi nicht verborgen, umso mehr freute sie sich auf das Wiedersehen mit Junker Georg. Deswegen kümmerte sie sich nicht weiter um ihre Freundin, sondern lief die letzten Windungen des steilen Weges leichtfüßig hinauf, trat durch das Burgtor und sah sich um. Aber auch hier war Junker Georg nirgends zu sehen. Hatte sie auf dem Rückweg gehofft, er würde unterwegs auf sie warten, um mit ihr zusammen vor den Vater zu treten, fühlte sie nun einen kleinen Stich in ihrer Brust. Der Burghof war leer bis auf einen Knecht, der erst vor kurzem gefallene Pferdeäpfel mit einem Reisigbesen und einer Holzschaufel aufnahm und zum Misthaufen brachte, und in der Eingangshalle des Palas liefen auch nur Bedienstete herum. Als sie den Rittersaal betrat und zur Treppe ging, sah sie, dass die Herren ihre Beratung bereits beendet hatten. Nur Fuchsheim und sein zukünftiger Schwiegersohn Mertelsbach saßen noch am Tisch, hielten ihre Becher in der Hand und wirkten alles andere als nüchtern.
Bei diesem Anblick empfand Trudi Stolz auf ihren Vater, der meist nur so viel Wein trank, wie er mit klarem Kopf vertragen konnte. Ein einziges Mal war er richtig betrunken gewesen, und selbst da hatte er in ihren Augen mehr Würde ausgestrahlt als die beiden alten Männer.
Sie wandte Fuchsheim und Mertelsbach den Rücken zu und ging weiter. Zwei Stockwerke höher lagen die beiden Räume, in denen ihrem Vater und ihr Schlafgelegenheiten zugewiesen worden waren. Leider war der Platz in der alten Burg recht beengt, und so musste sie das Bett mit Hertha von Steinsfeld teilen, während ihr Vater deren Sohn und Abt Pankratius als Bettgenossen hatte.
In der Hoffnung, Gressingen habe ihren Vater bereits aufgesucht, öffnete sie die Tür zu dessen Kammer und steckte den Kopf hinein. Sie entdeckte jedoch nur Hardwin von Steinsfeld, der schnarchend auf dem Bett lag und seinen Rausch ausschlief.
»Sicher haben Vater und Junker Georg einen geeigneteren Platz gefunden,um miteinander zu reden«, sagte sie sich und überlegte, ob sie die beiden suchen sollte. Es wäre jedoch ungehörig gewesen, sie bei ihrem Gespräch zu stören, daher beschloss sie, die ihr zugewiesene Kammer aufzusuchen und zu warten, bis ihr Vater sie rufen würde. Doch als sie den Raum betrat, fand sie dort Hertha von Steinsfeld vor. Diese hatte sich, ermattet von der langen Besprechung, hingelegt und schnarchte ähnlich laut wie ihr Sohn. Das wird eine weitere unruhige Nacht, dachte Trudi seufzend und wünschte, sie wäre wieder zu Hause.
Da sie nicht in dem Raum bleiben mochte, machte sie sich nun doch auf die Suche nach ihrem Vater und entdeckte ihn schließlich im hinteren Teil der Burg.
Michel hatte eigentlich nachsehen wollen, wo Trudi blieb, war dabei jedoch an Abt Pankratius von Schöbach geraten und von diesem in ein Gespräch verwickelt worden. Da der Schöbacher zu seinen engsten Freunden zählte, konnte er ihn nicht einfach wegschicken und hatte daher beschlossen, später nach Trudi zu sehen.
Enttäuscht, weil es sich bei dem Gesprächspartner ihres Vaters nicht um Georg von Gressingen handelte, zog Trudi sich zurück und machte sich nun auf die Suche nach ihrem Geliebten. Doch es war, als habe Junker Georg sich in Luft aufgelöst. Und so war Trudi trotz ihrer Missstimmung doch froh, als sie nach einer Weile auf Bona traf. »Weißt du, wo Junker Georg ist? Er wollte sich doch heute noch mit meinem Vater treffen.«
Bona hatte bereits erfahren, dass Maximilian von Albach die Burg nach einem Streit mit ihrem Vater verlassen und seinen Neffen mitgenommen hatte. Nun lächelte sie ein wenig schadenfroh, denn es sah nicht so aus, als würde Trudi von dem Räuber ihrer Jungfernschaft vor den Traualtar geführt werden. Dennoch würde ihre Freundin, was ihren künftigen Gatten betraf, zumindest ein Mitspracherecht haben. Einen Augenblick stieg wieder der Neid bitter wie Galle in Bona hoch, und sie wünschte Trudi,schwanger geworden zu sein. Das wäre die richtige Strafe für das hochnäsige Ding, welches ihr unterwegs
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