Die Tochter der Wanderhure
vorgeworfen hatte, sich wie eine Metze benommen zu haben.
»Junker Georg suchst du hier vergebens. Der hat sich bereits auf den Heimweg gemacht.«
»Oh nein! Das glaube ich nicht.« Trudi sah Bona entsetzt an und fragte sich, ob ihr Vater Gressingen vielleicht abschlägig beschieden hatte. Zwar konnte sie sich das kaum vorstellen, denn noch am Vortag hatte er Junker Georg gelobt. Es mochte allerdings sein, dass er seine Antwort verschoben hatte, um noch einmal mit ihrer Mutter zu reden. Diese mochte Gressingen nicht und hatte nach dessen letztem Aufenthalt auf Kibitzstein behauptet, der Mann sei charakterlos und nichts als ein Mitgiftjäger. Trudi fand diesen Vorwurf ungerecht, denn sie hatte keinen Fehl an Junker Georg gefunden, und sie liebte ihn.
Nein, nein und dreimal nein, sagte sie zu sich selbst, als die mahnende Stimme ihrer Mutter nicht aus ihrem Kopf weichen wollte. Junker Georg liebt mich ebenfalls und wird mich heiraten. Schließlich haben wir uns heute auf immer miteinander verbunden. Bestimmt hat sich etwas ereignet, das ihn gezwungen hat, Fuchsheim zu verlassen.
Bona sah, wie es in der Jüngeren wühlte, und rauschte in dem Bewusstsein ab, ihrer Freundin alle Vorwürfe heimgezahlt zu haben.
Trudis Glaube an Georg von Gressingen war jedoch ungebrochen, und als sie später von Hertha von Steinsfeld erfuhr, dass Albach sich mit ihrem Gastgeber zerstritten hatte, entschuldigte sie den jungen Ritter mit seinen Pflichten dem älteren Verwandten gegenüber. Gewiss würde er in den folgenden Tagen nach Kibitzstein kommen und sich erklären. Mit diesem Gefühl legte sie sich zu Bett und schlief trotz der Kopfschmerzen, die sie jetzt wieder stärker quälten, und Frau Herthas rasselndem Atem rasch ein.
Michel Adler vermisste seine Tochter beim Abendessen, doch Bona, die ihren Rausch inzwischen vollständig überwunden hatte, erklärte freundlich lächelnd, dass Trudi wohl einen Becher zu viel von dem süßen Wein im Dorf getrunken hätte. Es wunderte ihn zwar, da ein solches Verhalten nicht so recht zu Trudi passte, aber da Bona wie das blühende Leben wirkte und sich köstlich amüsiert zu haben schien, nahm er an, dass seiner Tochter der Ausflug ebenfalls gefallen hatte.
10.
G eorg von Gressingen dachte in den nächsten Tagen mehrfach an Trudi und verspürte ein schlechtes Gewissen. Ein Teil von ihm hoffte, sein Onkel irre sich, und Michel Adler sei doch in der Lage, sich mit dem neuen Bischof zu einigen. Dann könnte er unbeschwert nach Kibitzstein reiten und um das Mädchen werben. Eine gleichermaßen wohlhabende und hübsche junge Erbin würde Herr Gottfried ihm wohl kaum bieten können. Deshalb war er sehr gespannt, was der Ritt zur Burg Marienberg ihm einbringen würde. Er sollte offiziell dem neuen Fürstbischof vorgestellt werden und fieberte der Audienz entgegen. Zwar war er Gottfried Schenk zu Limpurg bereits das eine oder andere Mal begegnet, aber er hatte dem hohen Herrn noch nicht angenehm auffallen können.
Während der Albacher sich ohne Zögern für den Fürstbischof entschieden hatte, bekam der Fuchsheimer in diesen Tagen mehrmals Besuch von Leuten, die erkannt hatten, welche Gefahren ihnen durch die Forderungen des Fürstbischofs drohten, aber nicht bereit waren, sich von vorneherein als dessen Feinde zu erkennen zu geben. Ritter Ludolf erhielt viel Zuspruch und auch das eine oder andere Hilfsangebot, das er sich eigentlich von dem größeren Zusammentreffen erhofft hatte.
Doch die hohen Herren in diesem Teil des Frankenlands, die Grafen Castell, die Hohenlohes und die Wertheimer, deren gemeinsames Wort auch von dem Würzburger Bischof nicht einfach beiseitegeschoben werden konnte, kamen nicht und schickten auch keinen Boten. Dennoch war Bonas Vater mit dem, was er erreicht hatte, recht zufrieden und ging daran, die Hochzeit seiner Tochter mit Moritz von Mertelsbach vorzubereiten. Er hoffte, während der Feier die Gäste noch stärker auf seine Seite ziehen zu können.
Während Bona mit ihrem Schicksal haderte, das sie an einen Mann auf der Schwelle zum Greisenalter binden würde, schlich Hardwin von Steinsfeld in den ersten Tagen nach dem Treffen wie ein halberstarrtes Kaninchen durch die Korridore der heimatlichen Burg, gerade so, als fürchte er sich vor dem Strafgericht, das unweigerlich über ihn hereinbrechen musste. Seine Mutter war bisher noch hinter jedes Geheimnis gekommen, und er erwartete jeden Augenblick, in einem Hagel aus Vorwürfen und Anschuldigungen zu
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