Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
den Rat und die Führung des Vaters angewiesen war.
    Derzeit weilte Falko bei Graf Heinrich auf Hettenheim, um in dessen Diensten zu lernen, ein tapferer Ritter zu werden. Auch ihr Pflegesohn Egon hatte Kibitzstein verlassen und diente nun Herrn Konrad von Weilburg als Knappe. Sie selbst liebte diebeiden Jungen nicht weniger als Lisa und Hildegard und versuchte, den vieren das an Liebe zu ersetzen, was Michel ihnen vorenthielt.
    »So versonnen, Herrin?« Anni, die Beschließerin, hatte Marie auf dem Söller gesehen und war zu ihr heraufgestiegen.
    Marie machte eine Handbewegung, als wolle sie ihre flatternden Gedanken wieder einfangen, und seufzte. »Ich weiß nicht, was ich mit Trudi anfangen soll. Als Kind war sie ein umtriebiges, aber liebes Ding, doch seit zwei Jahren benimmt sie sich störrischer als ein Maultier, und es ist kaum noch mit ihr auszuhalten.«
    »So schlimm ist es auch wieder nicht.« Um Annis Lippen spielte ein verlegenes Lächeln. Sie wollte Marie nicht gestehen, dass Trudi oft zu ihr kam, um sich über die angebliche Ungerechtigkeit der Mutter zu beschweren. In den vielen Gesprächen, die sie mit Marie oder ihrer Tochter geführt hatte, war Anni klargeworden, dass die beiden einander zwar von Herzen liebten, aber auch dieselben Starrköpfe hatten, die sie immer wieder aneinandergeraten ließen.
    Die Burgherrin winkte ab. »Das sagst du! Aber ich weiß mir mit Trudi nicht mehr zu helfen. Wenn ich ihr etwas anschaffe, das ihr nicht passt, läuft sie zu Michel, und der lässt ihr ihren Willen!« Maries Augen funkelten so zornig, dass Anni nicht wagte, etwas zu Trudis Verteidigung vorzubringen. In einem hatte ihre Herrin ja recht: Seit das Mädchen von Fuchsheim zurückgekommen war, benahm es sich wirklich eigenartig.
    Anni beschloss, Trudi bald darauf anzusprechen, doch vorher galt es, Maries Unmut zu beschwichtigen. »Ich würde mir an Eurer Stelle nicht so viele Sorgen um Trudi machen. Sie ist in einem Alter, in dem Mädchen im Allgemeinen schwierig werden. Gewiss gibt sich das bald wieder.«
    »So? Wie viele Töchter hast du denn schon aufgezogen, dass du so erfahren daherredest?« In Maries Stimme schwang ein wenigSpott mit, weil Anni immer noch unverheiratet war und es den Anschein hatte, als wolle sie eine alte Jungfer werden. Sie ging auf die dreißig zu, war aber abgesehen von einem Hang zur Hagerkeit durchaus ansehnlich.
    Anni zog bei dem Spott den Kopf ein, gab aber nicht nach. »Natürlich habe ich selbst noch keine Tochter zur Welt gebracht, aber ich habe Mariele und Mechthild im selben Alter erlebt. Viel schlimmer als die beiden benimmt Trudi sich auch nicht.«
    Der Hinweis auf die Töchter der Bäuerin auf dem Ziegenhof verfing. Zum einen war Hiltrud Maries beste Freundin und Trudis Patin, während Marie Mariele aus der Taufe gehoben und später mit einem wohlhabenden Kaufmann aus Schweinfurt verheiratet hatte, und zum andern übte der Gedanke an ihre langjährige Weggefährtin und Lebensretterin stets eine besänftigende Wirkung auf Marie aus. Auch jetzt lächelte sie und blickte über den Hügel hinüber zum Ziegenhof, der ein wenig seitlich vom Meierdorf lag. Hiltrud und ihr Mann hatten vor mehreren Jahren solide Gebäude errichtet und mit einer festen Umfassungsmauer umgeben, so dass ihr Anwesen beinahe wie eine kleine Burg wirkte.
    »Hiltrud wartet sicher schon auf meinen Besuch und wird traurig sein, weil ich wegen meines verletzten Beines nicht zu ihr kommen konnte.« Marie strich vorsichtig über ihr Knie und stöhnte auf, als die Schmerzen bis in die Zehen schossen.
    Anni wies auf den Stall. »Soll ich einen Wagen für Euch anspannen lassen, Herrin? Wenn Ihr Euch auf ein dickes Polster setzt, werdet Ihr die kurze Strecke wohl zurücklegen können.«
    »Tu das!« Marie hatte Lust bekommen, ihre Freundin aufzusuchen. Vielleicht konnte Hiltrud, die über einen gesunden Hausverstand verfügte, ihr raten, wie sie mit Trudi umgehen sollte. Immerhin hatte ihre Freundin zwei Mädchen aufgezogen, und beide waren in Trudis Alter ebenfalls nicht leicht zu behandeln gewesen. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie oft Mariele undMechthild zu ihr gekommen waren, um sich über ihre Mutter zu beklagen.
    Die Erinnerung daran zauberte den Anflug eines Lächelns auf Maries Lippen. Anni sah es und atmete auf. Ihre Herrin war eine Seele von einem Menschen, doch wenn ihr etwas gegen den Strich ging, konnte sie fuchsteufelswild werden. Diese Gefahr schien jedoch vorerst gebannt zu sein.

11.
    S o

Weitere Kostenlose Bücher