Die Tochter der Wanderhure
einer Dame mit einer so offenen Hand lässt es sich gewiss gut reisen«, raunte Melchior von Hohenwiesen seinem Freund zu.
Dieser strich über den Griff seines Dolchs und nickte. »Du sprichst das aus, was ich eben gedacht habe, mein Guter.«
7.
A uch wenn nicht immer eitel Sonnenschein zwischen ihr und ihrer Ältesten geherrscht hatte, vermisste Marie ihre Tochter doch schmerzlich, und das nicht nur, weil Trudi sich nach Michels Tod als tatkräftige Unterstützung erwiesen hatte. Die Wolken, die sich über Kibitzstein zusammenballten, waren um einiges düsterer geworden. Von der Äbtissin Klara von Hilgertshausen hatte Marie ein Schreiben erhalten, in dem stand, sie denke nicht daran, die Abmachungen einzuhalten, die ihre Vorgängerin mit den Kibitzsteinern getroffen hatte. Sollten sich Kibitzsteiner Knechte oder Mägde auf den Besitz des Damenstifts Hilgertshausen verirren, würden sie als Eindringlinge gefangen gesetzt und bestraft werden. Obwohl Marie nichts anderes erwartet hatte, empfand sie den Brief als Schlag ins Gesicht.
Die Äbtissin war die Erste, die offiziell verkündete, ihre Schulden nicht zahlen zu wollen. Kurz daraufließ der Fuchsheimer sie wissen, dass er die Verpflichtungen, die er bei Michel während der Hochzeit seiner Tochter eingegangen war, zwar zu begleichen gedenke, aber lediglich in Form von ein paar Fuder Wein zweifelhafter Qualität, die nicht einmal ein Sechstel des Wertes ausmachten. Zudem weigerte er sich, einen Kibitzsteiner Vogt auf den verpfändeten Teil seines Besitzes zu lassen.
Zur gleichen Zeit drängte der Dieboldsheimer mit harschen Worten auf die Rückgabe seines von Kibitzstein verwalteten Dorfes und bot als einzige Gegenleistung an, sich aus einer möglichen Fehde Maries mit anderen Feinden herauszuhalten. Marie erkannte durchaus die in seinen Worten versteckte Drohung und fand, dass ihre Lage auch ohne die Forderungen des Würzburger Bischofs trübe aussah.
Herr Gottfried Schenk zu Limpurg hatte nichts mehr von sich hören lassen, doch Marie hätte keinen lumpigen Heller gegen einGuldenstück gewettet, dass auf der Feste Marienberg Pläne geschmiedet wurden, wie man sie am besten in die Knie zwingen konnte. Wenn sie des Nachts in ihrem Bett lag und unwillkürlich auf die Seite griff, auf der Michel so viele Jahre geschlafen hatte, und die Leere neben sich spürte, fragte sie sich, wie lange sie dies alles würde ertragen können. In diesen Augenblicken erschien ihr ihre Lage so schwarz wie eine mondlose Nacht im Winter, und sie überlegte sich, ob sie nicht doch nach Würzburg reiten und sich dem Fürstbischof zu Füßen werfen sollte. Nur der Gedanke, dass sie dann neben all den Pfandschaften, die sie besaß, für den zweifelhaften Schutz dieses Herrn vermutlich auch noch Teile des von Kaiser Sigismund erhaltenen Lehens würde hergeben müssen, brachte sie jedes Mal dazu, von dem Ritt nach Würzburg abzusehen.
Wäre es allein um den Machtanspruch des Bischofs gegangen, hätte sie zur Not damit leben können. Doch die Kreaturen in seiner Umgebung wollten sich um jeden Preis an ihrem Besitz bereichern. Graf Magnus von Henneberg forderte, wie Marie zu Ohren gekommen war, mindestens eines ihrer Dörfer als Entschädigung für seinen Bruder. Im Grunde aber ging es dem Mann um ganz Kibitzstein. Marie war sich sicher, dass er sie und ihre Familie vernichten oder zumindest von ihrem Besitz vertreiben wollte. Etliche boshafte Aussprüche, die ihr zugetragen wurden und die von ihm und seiner Ehefrau Elisabeth stammen sollten, ließen keinen anderen Schluss zu.
»Aus Dreck kann man keinen Edelstein machen, hat er gesagt. Nun, der Kerl soll sich vorsehen!«
»Drehst du dem Henneberger im Geist den Kragen um?«, hörte sie Anni fragen und begriff, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte.
»Ja, das tue ich!« In ihrer Wut auf diese raffgierigen Menschen hätte Marie am liebsten den Becher, den sie in der Hand hielt, gegen die Wand geworfen.
»Was denkt sich dieser Mann überhaupt? Er hetzt den Fürstbischof gegen uns auf und hat dabei nur seinen eigenen Vorteil im Sinn. Aber da wird ihm der Schnabel sauber bleiben. Ehe Schenk zu Limpurg und Henneberg auch nur einen Gulden von mir bekommen, unterwerfe ich Kibitzstein mit allem, was dazugehört, dem Ansbacher Markgrafen.«
»Glaubst du wirklich, Albrecht von Brandenburg Ansbach würde wegen Kibitzstein einen Krieg mit Würzburg anfangen?«, fragte Anni zweifelnd.
Marie stellte den Becher wieder hin und zuckte mit
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