Die Tochter der Wanderhure
Weg eingefallen, wie wir sie über Würzburger Gebiet schaffen könnten.«
Michi sah Maries zweifelnde Miene und winkte ab. »Das lasst mich nur machen. Ich weiß bereits, wie wir die Leute des Bischofs übertölpeln können. Oder glaubt Ihr, die werden in einem Mistagen herumwühlen, ob unter dem Dung Schmuggelgut versteckt liegt?«
Zuerst lachte Marie auf, dann aber breitete sie zweifelnd die Hände aus. »Das werden sie wohl nicht tun. Aber ein Bauernkarren hält das Gewicht eines schweren Geschützes nicht aus. Er würde bereits auf halbem Weg von Schweinfurt hierher zusammenbrechen.«
»Nicht, wenn der Wagen von unserem Wagner und unserem Schmied gemeinsam gebaut worden ist. Er ist fast fertig! Kommt, ich zeige ihn Euch.« Michi wies auf die Remise, aus der Hammerschläge klangen.
Marie folgte ihm dorthin und stand dann vor einem Karren, der jenen ähnelte, mit denen die Bauern dieser Gegend den Stallmist auf die Felder fuhren. Nur einem geübten Auge fiel auf, dass er weitaus kräftiger gebaut war.
»Das Geheimnis liegt im Holz«, erklärte Michi. »Wir haben gutes Eichenholz für den Bau verwendet und es mit Eisenschienen verstärkt. Ihr müsstet Euch bücken, um das erkennen zu können. Ich bezweifle, dass die Beamten des Bischofs vor einem Mistwagen auf die Knie gehen werden.« Er klang so fröhlich, als ließe er einen munteren Scherz vorbereiten.
Marie nickte unwillkürlich und fand ihre Entscheidung, Michi wieder nach Kibitzstein zu holen, vollauf bestätigt. Er würde dafür sorgen, dass Magnus von Henneberg und die Männer des Fürstbischofs sich so manchen Zahn an ihrer Burg ausbissen.
»Gut gemacht, Michi! Doch wer soll den Wagen fahren? Die meisten unserer Leute sind im Umland bekannt.«
»Das werde ich selbst tun. In der Zeit, in der ich auf Kessnachwar, habe ich mich doch ein wenig verändert, und nach meiner Rückkehr haben mich eigentlich nur unsere eigenen Leute gesehen. Einen Ochsenkarren kann ich führen – das habe ich Euch ja schon bewiesen.«
Marie erinnerte sich durchaus noch an ihre Abenteuer als fahrende Marketenderin, bei denen Michi sie begleitet hatte.
Er sah sie wissend lächeln und musste selbst grinsen. »Heute Nacht werde ich aufbrechen. Der Mond dürfte hell genug scheinen. Ich werde mich abseits der großen Straßen halten und wohl gut zwei Tage bis Schweinfurt brauchen. Mit etwas Glück entgehe ich auf diese Weise den Bischofsknechten und bleibe unbehelligt.«
»Möge unsere Jungfrau im Himmel dich beschirmen! Allein wirst du die schwere Kanone aber nicht nach Hause schaffen können.«
»Keine Angst, Frau Marie. Ich habe meinem Schwager Nachricht geschickt, er solle mir ein paar handfeste Knechte mitgeben. Wenn diese sich als wandernde Gesellen verkleiden und in meiner Nähe bleiben, können sie jederzeit eingreifen, wenn es nötig ist.«
Marie nickte zufrieden, denn Michi hatte alles gut geplant. Nun mussten die himmlischen Mächte mit ihm sein. »Wenn du in Schweinfurt bist, richte Trudi liebe Grüße von mir aus und frag sie, wann sie nach Hause kommt. Wir vermissen sie sehr.«
»Mach ich! Aber ich bin sicher, dass ihr ein paar Wochen bei meiner Schwester guttun. Mariele dürfte ihr die Flausen schon aus dem Kopf blasen!« Michi grinste und rief dem Schmied zu, schneller zu machen.
»Sonst bist du noch nicht fertig, wenn ich aufbrechen will«, fügte er hinzu.
»Keine Sorge, Herr, das wird nicht geschehen!«, antwortete der vierschrötige Mann und schwang seinen Hammer mit einer Wucht, dass es von den Wänden widerhallte.
Marie und Michi verließen die Remise und rieben sich draußen die Ohren. »Der Kerl muss es ständig übertreiben«, stöhnte sie und wechselte abrupt das Thema. »Hast du meine Töchter gesehen?«
»Soviel ich weiß, sind Lisa und Hildegard in den Garten gegangen, um Bogenschießen zu üben. Sie haben beschlossen, mitzuhelfen, die Burg zu verteidigen, falls wir belagert werden sollten.« Michi klang amüsiert, denn er nahm die Mädchen nicht ernst, die sich trotz ihres jugendlichen Alters wie wilde Amazonen gebärdeten.
Marie war froh, dass die beiden den Schmerz über den Verlust des Vaters zu überwinden begannen, und verabschiedete sich von Michi, um nach den beiden zu sehen.
Als sie in den Garten kam, schossen Lisa und Hildegard mit zwei Bögen und den Pfeilen, die ihnen der Wagner der Burg aus Gefälligkeit angefertigt hatte, eifrig auf eine aus Stroh zusammengedrehte Figur. Maries Lippen wurden schmal, denn das Ziel glich einem
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