Die Tochter der Wanderhure
weiterhin so störrisch bist, steche ich ihn als Erstes ab. Also marsch weiter, oder …«
Trudi sah ihm an, dass er ihre Stute abschlachten würde, und gab auf. Sie kraulte das nervöse Tier kurz unter der Mähne. »Komm, Wirbelwind, wir müssen weiter«, sagte sie und erstickte beinahe an diesen Worten.
Der Aufstieg war hart, denn es gab keinen gebahnten Weg, und sie rutschten auf dem eisglatten Boden immer wieder aus. Als sie schließlich die Höhe erreicht hatten, sahen sie ein kleines, schmales Tal vor sich, das nicht einmal genug Fläche für einen Meierhof bot. Die Berge, die das Tal umgaben, strebten steil nach oben, und ihre Gipfel verloren sich in den dichten Wolken. In der jenseitigen Felswand entdeckte Trudi auf halber Höhe eine Öffnung im Berg, einem riesigen Schlund gleich, der gerade eine Mauer verschlang.
Trudi musste mehrmals hinsehen, bevor sie begriff, dass sie eine in eine Höhle hineingebaute Burg vor sich hatte, deren Eingang man nur über einen schmalen Pfad erreichen konnte. Jeder Feind, der dieses Bauwerk belagern wollte, konnte nur hoffen, dass es keinen zweiten Ausgang gab, durch den sich die Bewohner versorgen konnten. Nämlich allein durch Aushungern war diese Burg zu nehmen, da gegen deren Willen höchstens Vögel hineinfliegen konnten.
Stammberg blickte seinen Freund herausfordernd an. »Na, habe ich zu viel versprochen? In dem Ding hier werden wir den Winter auf einer Arschbacke absitzen und im nächsten Frühjahreinige wackere Burschen um uns sammeln, mit denen wir den Pfeffersäcken die Sorge um ihren Reichtum abnehmen können.«
»Die Burg sieht verlassen aus«, gab Hohenwiesen zu bedenken. Stammberg zuckte mit den Achseln. »Ich musste vor zwei Jahren ziemlich schnell von hier verschwinden und anderswo mein Auskommen suchen.«
»Was ist mit Vorräten? Ich habe keine Lust, hier in den Bergen zu verhungern!« Hohenwiesen sah aus, als würde er am liebsten die Pferde wenden und den Weg zurückreiten, den sie gekommen waren.
Sein Freund lachte ihn aus. »Glaubst du, ich hätte keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass ich wieder zurückkomme? Ich habe etliche Fässer mit Mehl, Pökelfleisch und anderem Zeug im tiefsten Keller unter Sand begraben lassen. Zusammen mit dem Wildbret, das wir hier jagen können, werden wir mitsamt unseren Gästen wie die Fürsten leben.«
Stammberg wies grinsend auf Uta und Lampert. »Wir beide brauchen nicht einmal einen Finger zu rühren, denn die beiden werden uns fein säuberlich bedienen. Außerdem ist das Weibsstück noch zu anderen Dingen gut.« Er bewegte dabei sein Becken mit einem anzüglichen Grinsen vor und zurück.
Uta schlug die Hände vors Gesicht. »Nein, das dürft Ihr nicht tun!«
»Und ob ich das tun werde, und zwar richtig!« Stammberg versuchte, die Magd in den Busen zu kneifen, doch seine Finger rutschten an der Decke ab, die sie fest um sich geschlungen hatte. In dem Augenblick, in dem er Uta berührte, stieß Lampert einen Schrei aus und ging auf den Mann los. Der Ritter wich ihm jedoch geschickt aus und stellte ihm ein Bein, so dass der Knecht haltlos in den Schnee fiel. Lachend stellte Stammberg ihm den Fuß in den Nacken und drückte seinen Kopf tief in die weiße Pracht.
Lampert schlug verzweifelt mit Armen und Beinen, doch der Ritter presste ihn so lange in den Schnee, bis seine Bewegungen schwächer wurden. Dann trat er zurück und versetzte dem Halberstickten einen Fußtritt.
»Beim nächsten Mal werde ich nicht mehr so nachsichtig mit dir sein«, drohte er und forderte seine Gefangenen auf, zur Burg hochzusteigen.
Die beiden Männer trieben ihre drei Opfer so geschickt vor sich her, dass ihnen niemand entkommen konnte. Offensichtlich waren Trudi und ihre Begleiter nicht die Ersten, die die Kerle entführt hatten, und das Mädchen begriff endlich, dass sie auf ein paar üble Raubritter hereingefallen war, denen das Wasser bis zum Hals stand. Aber nun glaubten die Kerle wieder mit Zuversicht in die Zukunft sehen zu können.
Trudi zerfraß sich in Selbstvorwürfen und wusste zuletzt nicht, wie sie das letzte Stück Weg zur Burg geschafft hatte. Nur der beißende Wind, der um die Felswand fegte, blieb ihr in Erinnerung.
Der Eingang war mannshoch zugeweht, und Stammberg zwang die drei, den Schnee ohne Hilfsmittel beiseitezuräumen. Es war eine mühselige Arbeit. Trudis Hände wurden vor Kälte steif, und zuletzt weinten sie und Uta vor Erschöpfung.
Kaum lag das Tor frei, zog Stammberg einen alten
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