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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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jedem Satz die Faust. Der Gedanke, diesen Mann einmal als König des Reiches zu sehen, war eher abstoßend als wünschenswert, und er fragte sich, ob er wirklich bereit war, Friedrich zu töten, damit dessen Bruder den Thron besteigen konnte.
    Gressingen sah Henneberg an, wie wenig diesem die Situation behagte. Offensichtlich schlug das Kerlchen sich mit seinem Gewissen herum. Am liebsten hätte er ihn ausgelacht, aber das musste er sich in Gegenwart des Herzogs verkneifen. Albrecht von Österreich konnte nicht wissen, dass Graf Otto aus der Heimat geflohen war, um der Rache für einen Mord zu entgehen, den er nie begangen hatte. Hier aber sollte der junge Henneberger eine Tat begehen, die er noch in Franken als ehrlos bezeichnet hatte. Was würde das Gräflein wohl sagen, wenn es wüsste, dass MichelAdlers Mörder direkt neben ihm stand? Den Auftrag ablehnen konnte der Henneberger jedoch nicht, denn Herzog Albrecht würde keinen Mitwisser am Leben lassen.
    Gressingen räusperte sich. »Es wird nicht leicht sein, an Friedrich heranzukommen.« Im letzten Augenblick hatte er vermieden, »Euren Bruder« zu sagen. Es brachte wenig, den Herzog auf die nahe Verwandtschaft zu seinem erklärten Feind hinzuweisen.
    Für ihn war der König ein Fremder und ein ebenso gutes Opfer wie jeder andere. Nein, nicht ganz, sagte er sich und spürte, wie sein Blut schneller durch die Adern rauschte. Sein Dolch würde in Kürze das Schicksal des Reiches bestimmen. Michel Adler hatte er getötet, weil dieser ihn in die Enge hatte treiben wollen. Es war die Entscheidung eines Augenblicks gewesen. Seit dem Tod dieses Mannes spürte Gressingen die Macht, die ihm der zehn Zoll lange Stahl an seiner Seite verlieh. Inzwischen lachte er auch über die Angst, die ihn nach dem Mord an Michel in den Klauen gehalten hatte. Damals hatte er sein Pferd zuschanden geritten, weil er gedacht hatte, man könnte ihn für den Mörder halten und verfolgen. Jetzt aber fühlte er sich sicher und kühn genug, um alles zu wagen.
    Sein Dolch würde ihm nun zu einem Aufstieg verhelfen, von dem er in der Heimat höchstens hätte träumen können. Der Titel eines Grafen, den Otto von Henneberg von Geburt an trug, ohne über die für diese Stellung notwendigen Fähigkeiten zu verfügen, war das Mindeste, das er von Albrecht von Habsburg erhoffen durfte.
    »Ich nehme an, Euch fehlt nicht der Mut für diese Tat, meine Herren!«
    Herzog Albrechts Bemerkung riss Gressingen aus seinen angenehmen Vorstellungen. »Gewiss nicht, Euer Durchlaucht. Diese Aufgabe bedarf nicht nur des Mutes. Es darf auch nicht an Geschicklichkeit, Verstellungskunst und Umsicht fehlen. Wennmein Freund und ich Euch von König Friedrich befreien, wollen wir nicht von dessen Leibwachen in Stücke gehackt werden.«
    »Ein löblicher Vorsatz!« Herzog Albrecht verzog sein Gesicht zu etwas, das einem Lächeln gleichkommen sollte. Für sich aber nannte er Gressingen einen Feigling. Der Mann taugte wirklich nur zu einem Meuchelmörder. Aber der Charakter des Kerls konnte ihm gleichgültig sein, solange er ihm den Weg an die Spitze Habsburgs und des Reiches frei machte. Sollte es Gressingen und seinem Kumpan gelingen und sie tatsächlich lebend davonkommen, würde er sich gut überlegen müssen, was er mit ihnen anfangen sollte.
    »Ihr habt den Winter über Zeit, nachzudenken, wie Ihr die Tat ausführen wollt. Es ist wichtig, dass niemand Verdacht schöpft oder Euch an Friedrichs Hof mit mir in Verbindung bringt. Daher werdet Ihr bis zum Frühjahr hier auf Teiflach bleiben. Ich überlasse Euch ein halbes Dutzend Fußknechte. Mit deren Hilfe werdet Ihr die Burg selbst dann halten können, wenn einer der Vasallen meines Bruders so wahnsinnig wäre, zu dieser Jahreszeit einen Angriff zu wagen.«
    Herzog Albrecht von Österreich streifte die beiden Männer, die er ins Vertrauen gezogen hatte, noch mit einem kurzen Blick, dann machte er sich an den Abstieg. Nach wenigen Schritten glitt er auf dem festgetretenen Schnee aus und geriet in Gefahr, in die Tiefe zu stürzen. Otto von Henneberg griff gerade noch rechtzeitig zu, um dies zu verhindern.
    »Habt Dank!« Albrecht von Österreich schenkte Henneberg ein wohlwollendes Lächeln und fragte sich, ob er mit Gressingen nicht den falschen Mann zum Anführer gemacht hatte. Doch sein Gewährsmann Pratzendorfer hatte Graf Otto als jungen, unbedachten Ritter geschildert und Gressingen das kühlere Blut zugeschrieben. Mit einer ärgerlichen Handbewegung schob der Herzog

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