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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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diese Überlegung beiseite. Wichtig war, dass die beiden Männer Erfolg hatten. Er musste nur dafür Sorge tragen, dass ernicht selbst mit dieser Tat in Verbindung gebracht wurde. Sein Bruder besaß genug Feinde, die ihm nach dem Leben trachteten, und jeder von ihnen konnte die Meuchelmörder geschickt haben. Aus diesem Grund hatte er auch keinen seiner Gefolgsleute mit dem Anschlag beauftragt, sondern sich auf Pratzendorfer verlassen, der zwar offiziell in Papst Eugens Diensten stand, aber insgeheim für ihn arbeitete.
    Sehr zufrieden mit sich betrat der Herzog die Burg und ließ sich in der bescheidenen Halle nieder. Bis auf ein paar alte Waffen waren die Wände leer, und auch die Tafel, an der höchstens zwanzig Leute Platz fanden, trug bereits deutliche Spuren der Holzwürmer. Im Vorratskeller gab es kaum mehr als Reste, denn Friedrich hatte die Versorgung der Burg mit Wintervorräten immer wieder hinausgeschoben. Nicht zuletzt deswegen hatte ein Mann der Besatzung ihm die Burg in die Hände gespielt. Doch auch er hatte nur ein paar Maultierladungen Lebensmittel heranschaffen können. Die mussten für zwei Ritter, sechs Krieger und drei Knechte reichen.

SECHSTER TEIL
     
Der König

1.
    T rudi schien es, als habe es nie ein Leben vor der Gefangenschaft gegeben. Selbst ihre Mutter und ihre Schwestern schienen nur noch Gestalten aus einem fernen Traum zu sein, und sie hatte das Gefühl, ein halbes Menschenleben in diesem finsteren, kalten Loch zugebracht zu haben, in das nicht einmal der Schein des Herdfeuers drang.
    Da die Entführer ihr weder eine Fackel noch eine Unschlittlampe gelassen hatten, konnte Trudi sich nur tastend in ihrer Zelle bewegen. Das war eine demütigende Erfahrung, vor allem dann, wenn sie den Eimer suchte, der ihr für ihre Notdurft diente. Sie bekam auch nicht genügend Wasser, um sich waschen zu können, und stank nun so, dass sie sich vor sich selbst ekelte. Wenn sie den Getreidebrei und gelegentlich auch etwas altes, ranziges Pökelfleisch erhielt, musste sie mit schmutzigen Händen essen, und davor hatten ihre Mutter und die Ziegenbäuerin sie stets gewarnt. Die beiden hatten auf ihren Reisen oft erlebt, wie durch mangelnde Sauberkeit Krankheiten entstanden, und nun lebte Trudi in stetiger Angst, hilflos auf dem zerfallenden Stroh zu liegen und sich selbst zu beschmutzen. Dabei ging es ihr weitaus besser als ihren Begleitern.
    Uta und Lampert hatten zwar ein wenig mehr Bewegungsfreiheit als sie, waren aber den ständigen Quälereien der Raubritter ausgesetzt. Wenn Stammberg und Hohenwiesen die Festung verließen, um auf die Jagd zu gehen, wurden sie in der Küche angekettet oder qualvoll gefesselt, so dass keine Möglichkeit zur Flucht bestand.
    Neben ihren eigenen Ängsten litt Trudi mit, wenn die Kerle über Uta herfielen und die Schreie der Magd in ihren Verschlag drangen. Da die beiden Schurken in der von der Außenwelt abgeschnittenen Burg nichts anderes zu tun hatten, schütteten sie den Wein in sich hinein, der sich wohl reichlich im Keller befand.Der Alkohol schwemmte die letzten Hemmungen der beiden Männer fort und ließ Stammberg und Hohenwiesen zu Tieren werden.
    Nein, nicht zu Tieren, berichtigte Trudi sich. Tiere waren nicht von Natur aus grausam. Ihre Entführer aber dachten sich ständig neue Gemeinheiten aus, mit denen sie Uta demütigen konnten. Da die beiden ungeniert über das redeten, was sie Uta antaten, bekam Trudi ihr widerliches Tun in allen Einzelheiten mit und wusste nicht, wie sie ihrer Magd später noch in die Augen sehen sollte. Sie schämte sich auch vor Lampert, der den Wortfetzen und Geräuschen zufolge, die in Trudis Verschlag drangen, immer wieder versuchte, Uta beizustehen. Zur Strafe schlugen die Schufte ihn, peitschten ihn aus und fesselten ihn auf schmerzhafte Weise. Auch drohten sie immer wieder, ihn umzubringen, taten es aber doch nicht, weil sie sonst die Arbeiten hätten selbst tun müssen, zu denen sie den Knecht zwangen.
    Trudi war von den Schurken bisher verschont geblieben, auch wenn die Kerle ihr immer wieder mit widerwärtigen Worten beschrieben, was sie mit ihr machen würden, wenn es kein Lösegeld für sie gäbe. Doch Trudi ahnte, dass sich die beiden wohl kaum bis zum Ende des Winters würden beherrschen können. Aus diesem Grund fürchtete Trudi bei jedem Geräusch vor ihrer Tür, die beiden würden hereinkommen und sie ebenso missbrauchen wie Uta. Eingeschlossen in völliger Dunkelheit, haderte sie mit sich, diese verhängnisvolle

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