Die Tochter der Wanderhure
Zufrieden stellte er fest, dass sie in gutem Zustand waren und stark genug, um jedem Angriff standzuhalten, mochte dieser im Winter oder erst im Frühjahr erfolgen. Mit einem zufriedenen Nicken drehte er sich zu seinen zwei Begleitern um, die mit ihm den steilen, schneebedeckten Hang hochgestiegen waren.
»Diese Burg ist zwar nur ein kleiner Dorn im Gesäß meines Bruders, aber er wird ihn schmerzen.«
Georg von Gressingen, der zu den Männern gezählt hatte, die von einem Verräter in die Burg eingelassen worden waren und die Besatzung im Schlaf überrascht hatten, grinste zustimmend. »Es wird Herrn Friedrich gewaltig stinken, dass er diese Burg an Euch verloren hat. Aber er wird bald noch mehr Grund haben, sein Schicksal zu beweinen.«
»Das will ich hoffen!« Albrecht von Österreich bleckte die Zähne, als wolle er seinem Bruder selbst an die Kehle gehen. »Er wäre nicht der erste Habsburger, der wegen eines Erbstreits den Tod findet.«
Damit spielte er auf seinen Namensvetter Albrecht an, der als zweiter Habsburger zum deutschen König gewählt worden und von seinem eifersüchtigen Neffen Johann Parricida ermordet worden war. Herzog Albrecht gedachte jedoch nicht, sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Das sollten die beiden Männer tun, die sein Vertrauter Cyprian Pratzendorfer ihm geschickt hatte.
Er nickte den beiden huldvoll zu. »Ich lege die Ausführung dieser Aktion vollständig in Eure Hände, meine Herren. Ich selbst werde im Anschluss in die Vorlande zurückkehren und dieses aufständische Gesindel, das sich Eidgenossen nennt, zur Räson bringen.«
Während Gressingen sich bei dem Gedanken an die Belohnung bereits die Hände rieb, zog Otto von Henneberg ein säuerliches Gesicht. Seine Narbe war inzwischen halbwegs abgeheilt, verlieh ihm aber ein grimmiges und vor allem für Frauen erschreckendes Aussehen. Obwohl er Gressingen eine gewisse Mitschuld an dieser Entstellung gab, hatte er sich zunächst noch gefreut, hier in der Ferne auf einen Bekannten zu treffen. Mittlerweile aber wünschte er sich an jeden anderen Ort der Welt als diesen. Junker Georg und er hatten Teiflach erobert, und zur Belohnung fanden sie sich inmitten eines Mordkomplotts gegen König Friedrich wieder. Das war alles andere als ein ehrenhafter Dienst, und er fühlte sich enttäuscht und erniedrigt. Mit Freuden wäre er Herzog Albrecht von Österreich an den Rhein und an den Bodensee gefolgt, um dort gegen die Schweizer zu kämpfen. Doch der geplante Meuchelmord stieß ihn ab. Im Gegensatz zu Gressingen ließ er sich nicht von der Belohnung blenden, die Herzog Albrecht von Österreich ihnen für diese Tat versprochen hatte, sondern fragte sich, wie groß dessen Hass auf seinen älteren Bruder sein musste, dass er ihm nicht nur Land und Titel, sondern auch noch das Leben missgönnte.
Graf Otto war mit seinem Bruder immer gut ausgekommen und hätte sich niemals vorstellen können, einen Mord begehen zu lassen, um seinen Erbteil mit Magnus’ Land zu vergrößern. Die ganz hohen Herren schienen jedoch anders zu denken als seinesgleichen. Für sie zählte allein die Macht, und dabei nahmen sie nur wenig Rücksicht auf familiäre Bindungen.
Herzog Albrecht schien Ottos Zweifel zu ahnen, denn er wiederholte die Gründe für seinen ungewöhnlichen Auftrag, die erihnen schon zu Anfang dargelegt hatte. »Friedrich stellt eine Gefahr für das Haus Habsburg dar. Seit er zum deutschen König gewählt wurde, hat er Ungarn, das er für Ladislaus verwalten sollte, an den Jagiellonen Wladislaw verloren und sich auch unfähig gezeigt, die Herrschaft in Böhmen gegen Georg von Podiebrad zu sichern. Dies ist ein herber Verlust, den Habsburg nicht hinnehmen darf.«
Den du nicht hinnehmen willst, berichtigte Otto von Henneberg Albrecht von Österreich insgeheim. Diesem Habsburger ging es nicht um das Ansehen des eigenen Hauses, sondern darum, selbst die Hand auf Böhmen, Ungarn, Niederösterreich und alle anderen Gebiete zu legen, die Kaiser Sigismunds Enkel Ladislaus aufgrund seiner Abstammung als sein Erbe fordern konnte. Und mehr noch ging es ihm um die Krone des Reiches der Deutschen, die Herzog Albrecht seinem Bruder missgönnte und die nach dessen Tod, wie er annahm, auf ihn übergehen würde.
Aufmerksam beobachtete Otto den Herzog, der selbst in seinem dicken Pelzumhang wie ein Raubtier auf dem Sprung wirkte. Das Gesicht war noch jugendlich schmal, doch in den blauen Augen brannte ein verzehrendes Feuer, und er ballte beinahe bei
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