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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vierten Seite war die Burg erreichbar, aber der Zugang wurde durch eine mächtige Schildmauer geschützt. Hinter ihr schien es einen schmalen Zwinger zu geben, und dann erst kam die eigentliche, noch höher liegende Burg.
    Aber es war nicht diese schiere Uneinnehmbarkeit, die Teiflach Bedeutung verlieh, sondern ihre Lage. Die Burg thronte über zwei sich zu ihren Füßen vereinigenden Handelsstraßen, und wer die Wehranlage besaß, vermochte die Wege zu sperren. Daher wunderte es Trudi nicht, dass König Friedrich Teiflach nichtseinen Gegnern überlassen wollte. Sie fragte sich jedoch, weshalb er einen simplen Söldnerführer wie Eichenloh damit beauftragt hatte, sie zurückzuerobern, und keinen seiner Edelleute. Auch war die Zahl der Krieger, über die der Mann verfügte, für dieses Vorhaben viel zu gering.
    Das war wohl Eichenlohs Beweggrund, auf eine List zu setzen. Obwohl sie ihm eine herbe Niederlage gegönnt hätte, betete sie nun, dass er Erfolg haben möge. Wurde die Rückeroberung der Festung mit ihrer Hilfe errungen, war es für den König eine Frage der Ehre, ihre Bitte um Hilfe für das bedrohte Kibitzstein zu erfüllen.
    Mit dieser Überlegung lenkte sie ihre Stute auf den Weg, der zur Burg führte, und sah zwischen den Bäumen, die auf dem unteren Teil des Hügels wuchsen, die grauen Mauern näher kommen. Einige bange Minuten mussten sie durch das um die Burg freigeräumte Schussfeld reiten, dann erreichten sie das Tor, das seit dem Sturm nicht mehr geöffnet worden war. Trudi glaubte im ersten Augenblick, die Burg sei unbewohnt. Dann aber entdeckte sie einen dünnen Rauchfaden, der sich vermutlich über der Burgküche kräuselte, und erst in diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie sich auf einer gefährlichen Mission befand. Sie würde sich den Verteidigern gegenüber glaubhaft als eine hilflose, verängstigte Reisende ausgeben müssen, die sich im Gebirge verirrt hatte.
    Hardwin schloss zu ihr auf und sah sich so angespannt um, dass Trudi ihn am liebsten zurechtgewiesen hätte. Ein solches Benehmen musste die Leute in der Burg misstrauisch machen.
    »Hallo, ist da jemand?«, schrie er.
    Da bei solchen Witterungsverhältnissen die äußeren Tore von Burgen oft nur mangelhaft bewacht wurden, musste man sich normalerweise lautstark bemerkbar machen und lange auf eine Reaktion warten.
    Hier aber kam sofort eine Antwort. »Wer ist da?«
    Freundlich klingt das nicht, dachte Trudi und lenkte ihre Stute neben Steinsfelds Hengst. »Mein lieber Mann, könntest du so gut sein und deinem Herrn mitteilen, dass ich, Hiltrud Adler zu Kibitzstein, um Obdach für diese Nacht ansuche?«
    Eigentlich wäre es Hardwins Aufgabe gewesen, sie anzukündigen, doch sie fürchtete, er könnte sich in seiner Nervosität versprechen und den Wächter Verdacht schöpfen lassen, dass es keine harmlosen Reisenden waren, die da Einlass begehrten.
    Die beiden Männer in der Wachstube starrten durch eine kleine Luke auf die Reitergruppe und sahen sich dann an. »Wo kommen denn die her? Ich werde Herrn von Gressingen Bescheid geben«, sagte der eine.
    Sein Kamerad verzog säuerlich das Gesicht. »Der schläft wahrscheinlich schon oder liegt besoffen in der Ecke. Willst du die Edeldame so lange draußen in der Kälte warten lassen?«
    Der Sprecher war der illegitime Sohn eines Ritters und hielt sich für etwas Besseres als die anderen Fußknechte. Eine Zeitlang hatte er sogar gehofft, Herzog Albrecht von Österreich würde ihn zum Burghauptmann von Teiflach ernennen. Deswegen ärgerte er sich über die Anwesenheit der beiden Ritter und ging sowohl Gressingen, den er wegen seines Hochmuts verabscheute, wie auch Henneberg möglichst aus dem Weg.
    Der andere Wächter verbarg ein hämisches Grinsen. In seinen Augen hatte Gott, der Herr, jeden Menschen auf den Platz gestellt, an den er gehörte, und so sollte es auch bleiben. Daher hatte er für den Ehrgeiz seines Kameraden nur Verachtung übrig. Es war nun einmal so Sitte, dass ein Ritter den Bauern befahl, ein Graf den Rittern und ein Herzog den Grafen. Über einem Herzog stand noch der König, und gerade das bereitete dem Mann Zahnschmerzen. Nach Gottes Gesetz hätte Herzog Albrecht von Österreich als jüngerer Bruder und als Gefolgsmann Friedrich III. gehorchen müssen, anstatt sich gegen ihn zu erheben. Er hütete sich aber, diesen Gedanken laut auszusprechen, denn erstand nun einmal in Herzog Albrechts Diensten und musste dessen Willen folgen.
    »Ich öffne das Tor!«, sagte der

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