Die Tochter der Wanderhure
sie seine erste Bemerkung nicht beantwortet hatte, fragte er sie direkt danach.
Trudi wandte ihm das Gesicht zu und blickte ihn hochmütig an. »Da behauptet man, Männer wären klug und müssten alles wissen.Doch entweder ist dies eine falsche Meinung, oder Ihr unterscheidet Euch doch arg von Euren Geschlechtsgenossen.«
»Das hat gesessen!« Junker Peter nahm sich vor, sich nicht provozieren zu lassen, und wiederholte seine Frage. »Dann könnt Ihr mir doch verraten, warum Ihr mir helft!«
»Ich helfe nicht Euch, sondern Seiner Majestät, dem König. Danach dürfte er geneigt sein, mich anzuhören und meine Bitte zu erfüllen.« Um ihre Familie zu retten, sagte Trudi sich, war sie sogar bereit, mit Eichenloh zu reiten, auch wenn sie dadurch dessen unverdienten Ruhm noch vermehren würde. Es ging jedoch um Kibitzstein, und dafür musste sie jedes Opfer bringen. Einen Moment dachte sie an Georg von Gressingen und spürte, wie ihr Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Viel lieber hätte sie die Tat mit ihrem Geliebten vollbracht.
Eichenloh schalt sich einen Trottel, denn darauf hätte er selbst kommen können. Das Mädchen hatte ihm doch schon erklärt, es wolle Friedrich um Hilfe für seine bedrängte Mutter bitten. Doch sie würde eine herbe Enttäuschung erleben. Der erwählte deutsche König und Herzog von Österreich vermochte kaum, sich selbst zu helfen, geschweige denn jemand anderem. Marie Adler auf Kibitzstein würde sich aus eigener Kraft behaupten müssen oder – was er für wahrscheinlicher hielt – Kibitzstein und ihren restlichen Besitz an den Fürstbischof von Würzburg verlieren.
»Wenn ich ihm Teiflach zurückbringe, wird Herr Friedrich Kibitzstein retten!«, betonte Trudi noch einmal.
»Das wird er gewiss«, antwortete er mit wenig Überzeugung in der Stimme und kam sich dabei so schlecht vor, als hätte er eben seinen besten Freund belogen.
Im ersten Augenblick wollte Junker Peter Trudi anbieten, sie in die Heimat zu begleiten und zu versuchen, etwas für sie und ihre Mutter zu erreichen. Doch mit zwei Dutzend Kriegern würde er einem Gottfried Schenk zu Limpurg keinen großen Schreckeneinjagen. Eichenloh beschloss daher, nicht mehr an die ferne Zukunft zu denken, sondern an das, was direkt vor ihm lag.
»Ist es noch weit?«, rief er dem Führer zu, der nicht mehr zu Fuß gehen wollte, sondern auf einem Pferd bestanden hatte.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein! Die Burg liegt hinter dem Bergsporn da drüben. Wir werden sie zwei Stunden vor Einbruch der Nacht erreichen.«
»Dann sollten wir nun Rast machen und unsere Vorkehrungen treffen. Seid Ihr bereit, Jungfer Trudi?«
Wurde Trudi sonst von Fremden angesprochen, nannten diese sie Jungfer Hiltrud, während ihre Freunde und Bekannten sie schlicht Trudi nannten. Nun vernahm sie zum ersten Mal die ihrem Stand angemessene Bezeichnung Jungfer zusammen mit ihrem Rufnamen, und es gefiel ihr. Daher fiel ihr Nicken freundlicher aus, als sie eigentlich wollte. Eine kleine Spitze konnte sie sich dennoch nicht verkneifen. »Ich bin bereit, Herr Söldner.«
»Söldnerhauptmann ist die richtige Bezeichnung. Dafür muss die Zeit reichen!« Junker Peter lachte auf und winkte vier seiner Männer zu sich, die etwas kleiner waren als der Rest. Diese mussten unter den spöttischen Bemerkungen ihrer Kameraden in jene Frauenkleider schlüpfen, die ihnen beim Durchsuchen der Höhlenburg in die Hände gefallen waren. Das Zeug roch modrig und hatte auch dem Angriff von Motten und Mäusen nicht widerstanden, doch bei beginnender Dämmerung würde man in den angeblichen Frauen keine verkleideten Männer erkennen, zumal sie sich wegen des Winters in dicke Mäntel hüllen konnten. Da Uta noch stark unter den Folgen der ihr zugefügten Misshandlungen litt, hatte Eichenloh beschlossen, die Magd nicht mitzuschicken. Stattdessen würde Trudi neben den als Frauen verkleideten Männern noch vier bewaffnete Krieger mitnehmen, die ein durchaus standesgemäßes Gefolge darstellten.
Zufrieden mit den Vorbereitungen betrachtete er die Männerund klopfte jedem auf die Schulter. »Macht es gut, Leute! Versucht, das Tor zu halten. Wir kommen so schnell wie möglich nach.«
Er hatte erwogen, selbst mit Trudi zu reiten, sich dann aber dagegen entschieden. Die Mannen Herzog Albrechts von Österreich wussten vielleicht bereits, dass er in die Dienste des Königs getreten war, und es gab in dessen Gefolge genug Leute, die ihn schon einmal gesehen hatten. Quirin schied ebenfalls
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