Die Tochter der Wanderhure
im hinteren Teil der Höhle unter etlichen Steinen begraben. Ihr Führer hatte sogar noch zwei Kreuze gebastelt und einen schreibkundigen Mann der Truppe gebeten, die Namen der beiden Toten mit der glühenden Spitze eines Messers ins Holz zu brennen.
Nun lag die Burg hinter ihnen, und Eichenloh verschwendete keinen Gedanken mehr an sie oder die Gehenkten. Sein Blick ruhte auf Trudi, die an seiner Seite ritt. Sie trug über ihrem eigenen Mantel noch einen weiten Umhang und feste Fäustlinge, die früher einmal Stammberg gehört hatten. Trotzdem wirkte sie mit ihrem blonden Haar, das in reicher Fülle unter ihrer Mütze herausquoll, sowie ihrer einer Dame angemessenen Reitweise sehr weiblich. Eichenloh erschien sie beinahe zu schön für die Aufgabe, für die er sie vorgesehen hatte. Doch sie war nun einmal der Trumpf, auf den er zählte.
Die Vorzeichen standen gut. Es war beinahe windstill, und die Sonne leuchtete von einem fast sommerblauen Himmel. Allerdings warf der Schnee das Licht so grell zurück, dass die Männer die Augen abwenden mussten, um nicht blind zu werden, und von den mit hohen Schneekappen gekrönten Bäumen fielen immer wieder kleine Schneebrocken herab.
Eichenloh lachte, als Trudi von einer dieser Schneelasten getroffen wurde und hastig nach ihrem Kragen griff. »Halt! So gerät Euch der Schnee nur noch tiefer ins Genick. Beugt Euch zu mir herüber!«
Trudi gehorchte mit knirschenden Zähnen, denn sie konnte den eisigen Klumpen alleine nicht herausholen.
»Ich hätte klüger sein und die Kapuze aufbehalten sollen«, murmelte sie, während Eichenloh unter ihren Mantel griff und einige Batzen Schnee herausholte. Dabei schob sich seine Hand beinahe bis zu ihrer Taille hinab, an der mit Sicherheit kein Schnee zu finden war.
»Grabt Ihr nicht ein wenig zu tief, Herr Söldner?«, fragte sie schnippisch.
Eichenloh entfernte die letzten Schneereste und rieb ihr dabei sanft über den Nacken. Sofort versteifte sie sich unter seinen Händen. Er schalt sich einen Narren. Dieses Mädchen hatte den Charakter einer Distel und war gewiss nicht die Frau, die ihm gefallen konnte. Außerdem war sie bereits durch andere Hände gegangen. Schließlich hatte sie auf Fuchsheim das Bett mit dem Ansbacher Markgrafen geteilt und zugegeben, von mindestens einem ihrer Entführer vergewaltigt worden zu sein.
Während er versuchte, sich mit Hochmut zu wappnen, dachte er an Steinsfeld, der Trudi trotz dieses Makels heiraten wollte, und fand, dass der junge Bursche ihr keinesfalls gewachsen war. Sie würde ihm die Hosen noch vor der Hochzeit ausziehen und sie zeit ihres Lebens nicht mehr hergeben. Zwar benötigte Hardwin eine Frau, die ihn zu leiten vermochte, doch das musste mitZuneigung und einem gewissen Fingerspitzengefühl verbunden sein. Die Blicke, die Trudi ihrem Jugendfreund zuwarf, sprachen nicht gerade von Liebe. Sie schien Hardwin eher als eine Art tapsigen, jungen Hund anzusehen, bei dem man scharf aufpassen musste, damit er seine Pfützchen nicht dorthin machte, wo Menschen sich hinsetzen wollten.
Diese Überlegung entlockte Eichenloh ein Grinsen, und er spürte, wie seine Laune sich schlagartig hob. Gleichzeitig nahm er wahr, dass er immer noch seine Finger über Trudis Nacken gleiten ließ, und zog sie hastig zurück. »Ich glaube, jetzt müsste aller Schnee entfernt sein!«
»Falls er nicht geschmolzen und den Rücken hinuntergelaufen ist. Ich danke Euch, dass Ihr meinen Nacken und den Schulteransatz so fürsorglich gewärmt habt.«
War das nun ernst gemeint, oder stellte die Bemerkung eine weitere Spitze gegen ihn dar?, fragte er sich. Doch als er Trudi ansah, wirkte ihr Gesicht glatt, und ihr Blick schien in eine Ferne gerichtet zu sein, in die er ihr nicht folgen konnte. Ihn hätte es interessiert, ob sie dabei an ihn dachte, an den Schnösel Steinsfeld oder an irgendeinen anderen Mann. Aber wenn er sie darauf ansprach, würde er wohl eher eine Ohrfeige statt einer Antwort bekommen, und gerade jetzt durfte er sie am allerwenigsten verärgern. Stattdessen versuchte er, das stockende Gespräch wieder in Gang zu bringen. »Ich freue mich, dass Ihr Euch bereit erklärt habt, dem Recht Seiner Majestät wieder zur Geltung zu verhelfen und die Burg Teiflach seinen Feinden zu entreißen.«
Eigentlich war er immer noch überrascht, dass die Jungfer sofort einverstanden gewesen war, den Lockvogel für die Burgbesatzung zu spielen. Aus welchem Grund sie dies tat, hatte er noch nicht herausfinden können. Da
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