Die Tochter der Wanderhure
Während sie sich unter Ehrenbezeugungen zurückzog, verfluchte sie ihren Sohn, der sie im Stich gelassen hatte, um dem Söldnerhauptmann Eichenloh zu folgen. Gleichzeitig aberwünschte sie, Hardwin würde von diesem Mann lernen, die Freiheit seiner Herrschaft zu erhalten.
8.
S eit Otto von Henneberg den Oberbefehl übernommen hatte, wurde die Lage der Kibitzsteiner von Tag zu Tag schwieriger. Dabei kämpfte er eigentlich nicht, um Rache für seine Verletzung zu nehmen. Der Schnitt war gut verheilt und verlieh seinem Gesicht ein verwegenes Aussehen, das ihn älter und erfahrener wirken ließ als seinen Bruder. Auch Magnus’ Verbündete zeigten sich davon beeindruckt, denn es war keine Rede mehr davon, er sei eigentlich noch viel zu jung, um verantwortungsvolle Aufgaben zu unternehmen.
Dennoch waren Ludolf von Fuchsheim, Ingobert von Dieboldsheim und ihre Standesgenossen nicht gerade die Männer, die er sich für einen solchen Kriegszug gewünscht hätte. Ihre Aufgebote bestanden zumeist aus Ackerknechten, die sie in einfachste Lederkoller mit ein paar aufgenieteten Blechplatten gesteckt hatten. Die Kerle wussten gerade mal, wo bei einem Speer die Spitze und wo das Ende war, und legten keinen besonderen Eifer an den Tag. Peter von Eichenlohs Reiter würden Leute wie diese mit Leichtigkeit überrennen und zerstreuen. Um Kibitzstein einnehmen zu können, benötigte er ausgebildete Soldaten, und über solche verfügte in dieser Gegend nur der Würzburger Bischof. Doch der hatte seinem Bruder ebenso wie ihm nur schlecht ausgebildete Plänkler mitgegeben.
Bereits am zweiten Tag hatte Graf Otto den Prälaten Pratzendorfer mit dem Auftrag nach Würzburg zurückgeschickt, ihm erfahrene Soldaten und vor allem neue Belagerungsgeschütze zu verschaffen. Ohne Kanonen würden sie noch im Herbst vor der Burg liegen und sich die Fingernägel abkauen. Im Feuer der KibitzsteinerGeschütze musste jeder Sturmangriff in einem Blutbad enden und sein Heer so schwächen, dass es zu keinen weiteren Aktionen fähig war.
Dabei stellte Kibitzstein nur die erste in einer ganzen Reihe von Herrschaften dar, die Gottfried Schenk zu Limpurg dem Würzburger Hochstift unterwerfen wollte. Ein rascher Sieg über diese gut befestigte Burg würde die meisten anderen Burgherren dazu bewegen, ihr Knie vor Herrn Gottfried zu beugen, bevor dessen Soldaten vor ihren Mauern auftauchten. Doch mit jedem Tag, den dieses Adlernest den Belagerern trotzte, wuchs der Widerstand der kleinen fränkischen Herren, deren Ahnen von einem längst vermoderten König die Reichsfreiheit erhalten hatten, und in den Reichsstädten ringsum wurde bereits alles an Geschützen zusammengekauft, was sich in erreichbarer Nähe befand.
Graf Otto war aber auch bewusst, dass mindestens ein Mann im Heer ihm den Sieg missgönnte, und das war ausgerechnet sein eigener Bruder. Magnus konnte ihm nicht verzeihen, dass er als der Ältere und Erbe des Familienstammsitzes hinter ihm zurückstehen musste. Das war in Ottos Augen Narretei, denn Herr Gottfried würde sie gleichermaßen reich belohnen, ganz gleich, welcher Henneberg den gewünschten Erfolg errang.
»Reut es dich bereits, dem hochwürdigsten Herrn Bischof diese Burg als leichte Beute versprochen zu haben?«, fragte Graf Magnus mitten in Ottos Grübeln hinein.
Dieser drehte sich zu seinem Bruder um und schüttelte den Kopf. »Zwar habe ich das Kommando übernommen, aber Herrn Gottfried Schenk zu Limpurg keinen raschen Erfolg versprochen. So, wie du den Karren in den Dreck gefahren hast, wird es verdammt lange dauern, ihn wieder herauszuholen.«
An diesen unverblümten Worten hatte Graf Magnus zu schlucken. »Die Kibitzsteiner Hure ist zäher, als du denkst, kleiner Bruder. An der wirst auch du dir sämtliche Zähne ausbeißen.«
»Mir wurde zugetragen, du habest dem Bischof versprochen, die Burg in fünf Tagen einzunehmen. Jetzt liegt dieses Heer schon seit mehr als fünf Wochen vor den Mauern, und die Einzigen, die Erfolge auf ihre Fahnen heften können, sind die Kibitzsteiner, die dich zweimal um Pulver und Kanonen gebracht haben.« Otto war der ständigen Sticheleien müde und gereizt genug, die gebotene Rücksichtnahme dem Älteren gegenüber fallenzulassen. »Es wäre besser, du würdest zu deiner Gemahlin zurückkehren. Frau Elisabeth dürfte es wohl arg kalt sein in ihrem einsamen Bett.«
»Willst du damit andeuten, sie nähme es mit der Treue nicht so genau?«, fuhr Magnus auf.
Otto begriff, dass er sich mit seiner
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